Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
mal fragen darf?»
«Aufstehen und in angemessener Geschwindigkeit den Weg zurückgehen, den wir gekommen sind.»
«Was verstehst du denn unter einer angemessenen Geschwindigkeit.»
«Wir gehen so schnell, wie wir es in unserem Alter noch schaffen.»
«Ich würde gern nachschauen, wer unter dem Hut steckt. Ob ich ihn kenne.»
«Tu dir keinen Zwang an. Ich persönlich ziehe die Deckung vor.»
«Wir kommen sowieso nicht an der Schwarzkutte vorbei. – Oder bist du zufällig bewaffnet?»
«Wofür hätten wir Waffen mitnehmen sollen, ich meine, nach dem gestrigen Kenntnisstand. Hast du eine?»
Der so angesprochene Sprengmeister antwortet nicht, sondern starrt auf den alten Mann, der aus einer Nische tritt und trotz Gegenwehr das Feuer auf die Malteserkreuzträger eröffnet.
«Ich habs geahnt», sagt er wie zu sich selbst. «Das hat mir gerade noch gefehlt.»
«Was hat dir gerade noch gefehlt?»
«Hör zu, mach dich schon mal auf den Weg. Ich decke uns den Rückzug. Wenn ich in zehn Minuten nicht nachgekommen bin, schlägst du dich allein durch. Bis zum Basislager dürftest du es schaffen.»
«Den Rückzug decken? Prima Idee. Und wie komme ich an der Armbrust vorbei?»
«Die Armbrust ist weg. Sonst würde der Kerl mit dem Gewehr dahinten schon längst nicht mehr stehen.»
Aus dem Stimmverzerrer des anderen Sprengmeisters kommt ein heiseres Zischen, aber er dreht sich um und hebt vorsichtig den Kopf über das Fundament, hinter dem er kniet. Weder wird er beschossen, noch sieht er den Armbrustschützen. Ohne ein Wort springt er auf und geht schnellen Schrittes zurück in die Röhre. Nach kurzer Zeit ist das Echo seiner Schritte verhallt.
Der übrig gebliebene Sprengmeister hat den Kopf in die Hände gelegt. Am liebsten wäre er jetzt woanders, ganz weit weg, in einem Land, wo Hopfen und Honig sprießen und fließen. Es bleibt ihm nichts anderes übrig: Er muss seinen persönlichen Gang nach Canossa antreten. Er erhebt sich mühsam und geht mit erhobenen Händen auf den Mann mit der Waffe zu.
cxii Späte, schwache Reue
«Mein Gott, Carsten, ich glaube, mir ist schlecht», kommt es leise aus der Ecke der Feuertreppe. «Ich glaube, ich kann so etwas nicht sehen.»
Carsten antwortet nicht. Er hat den Lauf gesenkt und blickt konzentriert zu ein paar Rohrsegmenten hinüber, hinter deren Fundament er eine Bewegung entdeckt zu haben glaubt. Tatsächlich, er hat sich nicht geirrt. Eine dunkle Gestalt mit einem albernen Hut auf dem Kopf taucht kurz hinter der Deckung auf und verschwindet schnellen Schrittes in der klaffenden Öffnung der Riesenröhre. Carsten versucht sein Gewehr erneut in Anschlag zu bringen, aber der Schmerz in seiner Hüfte lässt es nicht zu. Der Hilfssheriff von Hohe Ward hat ihn tatsächlich erwischt. Er legt den Kopf in den Nacken und unterdrückt ein Stöhnen. Dann nimmt er das MP14 in die andere Hand und tastet vorsichtig nach der Wunde, zieht die Hand jedoch sofort zurück. Das Shirt unter seiner Jacke ist bereits patschnass.
«Mandy!» Dann noch einmal: «Mandy, bitte!»
Bevor Mandy-Ursula seiner Aufforderung nachkommen kann, sieht er eine erneute Bewegung bei den Rohrsegmenten. Eine dunkle Gestalt kommt mit halb erhobenen Händen auf sie zu. Ein bis zur Unkenntlichkeit verzerrtes Geplärre mischt sich unter das pausenlos Zischen und Knallen der Entladungen. Plötzlich hebt die Gestalt eine Hand zum Kopf und greift an den Schleier. Carsten reagiert instinktiv. Mit der linken Hand reißt er den Lauf hoch und jagt zwei Schüsse in Richtung Angreifer. Im ersten Moment sieht es nicht so aus, als hätte er getroffen, doch dann verharrt die Gestalt in der Bewegung, sinkt in Zeitlupengeschwindigkeit zunächst auf die Knie und fällt dann wie ein umgemähter Kegel zur Seite. Der Hut schlägt mit der Krempe auf den Boden und rollt in einem Halbkreis davon, dreht sich noch einmal um seine Achse und fällt auf den Deckel. Das Krächzen ist verstummt. Mandy-Ursula kommt um die Ecke gekrochen. Noch bevor sie sich aufrichten kann, hat sie die blutige Hand gesehen, die an Carstens Seite hängt.
«Carsten, du bist verletzt!»
Dann ist sie auch schon aufgesprungen, um ihn zu stützen. Keinen Moment zu früh, denn Carstens Beine wollen nicht mehr richtig.
«Wer war das denn?», fragt er heiser.
«Das ist ein Sprengmeister», antwortet Mandy-Ursula nach einer Pause, «beziehungsweise war es mal einer.»
«Woher weißt du das?»
«Die haben mich rekrutiert. Schon vergessen?»
«Ach ja», antwortet
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