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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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Carsten müde, «das war mir irgendwie entfallen.
    «Komm, wir müssen weg. Sobald wir ein Stück weiter sind, lege ich dir einen Druckverband an.»
    Sie zieht Carstens rechten Arm über ihre Schulter und legt ihren linken vorsichtig oberhalb der Schusswunde um seinen Oberkörper. Wie ein Kind, das gerade laufen lernt, tapst Carsten neben ihr her. Obwohl er die Zähne aufeinander beißt, kann er ein Stöhnen nicht unterdrücken. Schon nach wenigen Schritten stockt er.
    «Der scheint noch zu leben.»
    Der Oberkörper des getroffenen Sprengmeisters zuckt tatsächlich unmerklich hin und her. Der Kopf liegt unnatürlich verdreht mit dem Gesicht zum Boden. Wie ein siamesischer Zwilling mit Gelenkarthrose humpelt Mandy-Ursula mit ihrem Patienten im Schlepptau zu ihm hinüber.
    «Kannst du einen Moment alleine stehen?»
    Carsten nickt wortlos. Sicher ist er nicht. Mandy-Ursula hat sich über den Verletzten gebeugt und dreht vorsichtig den Kopf herum.
    «Oh nein», sagt sie leise.
    Carsten hat sich vorsichtig auf ihre Schulter gestützt und wirft einen Blick auf das Gesicht des vor ihm liegenden Mannes.
    «Oh nein!», sagt er.
    Der schwer verletzte Sprengmeister ist sein alter Kumpel Horst.

cxiii Ein bisschen Terror
    Terrorismus ist – entgegen der landläufigen Meinung der schweigenden Mehrheit – kein Abfallprodukt des Krieges radikal-verbohrter Extremislamisten gegen den Rest der Welt, sondern war schon seit der Erfindung des Faustkeils Bestandteil des gewaltsamen Umgangs unterschiedlicher Interessengruppen miteinander. Begrifflich tauchte er erst im 18. Jahrhundert auf, als unsere französischen Nachbarn im Zuge der Französischen Revolution begannen, ihre adeligen Blutsauger, allen voran Ludwig XVI. und Marie Antoinette sowie alle möglichen anderen als konterrevolutionär eingestuften Personen kurzer Hand zu guillotinieren. Schon bald fand das Wort im Rahmen des europäischen Kulturaustausches auch Eingang in den deutschen Sprachraum. Verstand man unter Terrorismus lange Zeit nur Gewalt und Gewaltaktionen gegen eine politische Ordnung mit dem Ziel, eine politische Veränderung herbeizuführen, wurde der Begriff im Laufe der Jahre inhaltlich erweitert. Zu einer allgemein akzeptierten wissenschaftlichen Definition hat es jedoch nie gereicht, was wohl zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass die Abgrenzung von Terrorismus zu politischem Widerstand eine stets zu starke politische Komponente hatte, denn typischerweise werden Personen und Bewegungen, die von einer Seite als gewalttätige, aber legitime Untergrund- oder Widerstandskämpfer angesehen werden, aus einem anderen Blickwinkel als Terroristen gesehen und umgekehrt. Erschwerend kam hinzu, dass der Begriff des Terrorismus von den jeweils herrschenden staatlichen Ordnungen gern als Legitimation zur Denunzierung eines Gegners und zur Rechtfertigung eigener Gewaltexzesse gegen vermeintliche oder tatsächliche Feinde, die nicht auf gesetzlicher Grundlage beruhten, herangezogen wurde und so die Sonderform des Staatsterrorismus begründete und etablierte, der mit dem Zusammenbruch der Europäischen Union zu neuer Blüte kam.
    Die semantische Unschärfe des Begriffes Terrorismus hat hingegen überdauert, denn nach wie vor weiß man nicht, wann das Aufbegehren gegen eine staatliche Ordnung und ihre Repräsentanten das im Grundgesetz Art. 20 Abs. 4 niedergelegte Widerstandsrecht zum Tragen bringen darf. Reicht es aus, wenn einige Wenige unter Umgehung ihres ursprünglichen Auftrags einen Feudalstaat etablieren, in dem sie die Grundelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, das Gleichheits-, das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verfassungs- und Gesetzesbindung, das Republik- und Sozialstaatsprinzip – von Menschenwürde und persönlichen Freiheitsrechten ganz zu schweigen–, einfach in die Tonne kippen? Reicht es aus, arm, alt und krank zu sein, ohne jede Hoffnung auf medizinische Versorgung, bescheidene Alimentierung im Alter und soziale Partizipation im Allgemeinen und Speziellen, um sich dagegen wehren zu dürfen? Und wie darf man sich dagegen wehren, wenn es so weit gekommen ist? Durch Entführungen, Attentate und Sprengstoffanschläge? Terror als Druckmittel? Auf Sympathie hoffen, Unterstützungsbereitschaft erzeugen, das Denken besetzen und dadurch Veränderungsprozesse herbeiführen. Durch Gewalt? Tja … aber wenn ja, hätte man eher damit anfangen müssen, denn jetzt ist es dafür zu

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