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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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Ecke. Hinter dem Lenker sitzt Erkan Ederim. Schlingernd fährt er bis zu der Stelle, an der Carsten und Mandy-Ursula mehr liegen als sitzen.
    «Los, kommt in die Hufe. Ich hab nicht die ganze Nacht Zeit.» Er steigt ab, geht hinüber zu Carsten, packt ihn am Schlafittchen und zerrt ihn zum Beiwagen.
    «Rein da!» Und zu Mandy-Ursula gewandt: «Was ist los? Brauchst du eine Extraeinladung?»
    Mandy-Ursula klettert vorsichtig auf den Sozius.
    «Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass du wiederkommst», sagt sie.
    «Ehrlich gesagt, wäre ich fast auch nicht wiedergekommen. Dummerweise wusste ich nicht, wo ich sonst hätte hingehen können.»
    Er legt einen Gang ein und ruckelnd setzt sich das Gefährt in Bewegung.

cxx Kurz vor Toresschluss
    Carsten liegt in seinem Bett und atmet müde vor sich hin. Die Schusswunde ist versorgt und blutet nicht mehr, eine Blutplasmakonserve aus Horsts alter Notfallapotheke mit einem Pferdekopf auf dem Etikett hängt an der Nachttischlampe und sorgt dafür, dass der Innendruck von Carstens Gefäßsystem auf einem lebensfähigen Niveau bleibt.
    Der restliche Weg zurück nach Klein-Wilkinghege hatte erwartungsgemäß keine weiteren Schwierigkeiten zu bieten, denn wohin man kam, herrschten Aufregung und größtes Durcheinander. Die Mitglieder von Carsten Alten-WG hatten gar nicht bemerkt, dass ihr Gärtner unterwegs war, entsprechend dürftig fiel die Wiedersehensfreude aus. Dass der schwarze Ederim dabei war, blieb ebenfalls unkommentiert. Der Einzige, der ein bisschen aus dem Häuschen geriet, war Helmut. Kein Wunder, denn die Fütterungszeit war erheblich überschritten. Als Mandy-Ursula Carstens Hütte betrat, entspann sich deshalb zunächst ein längerer Kater-Frauchen-Dialog, in dem viel geredet, gemaunzt und gekrault wurde. Immerhin, Carsten erhielt einen Begrüßungsknuff von Helmuts massigem Schädel. Eine vertrauliche Geste, die Carsten weder gewollt noch erwartet hatte. Jetzt liegt der Kater auf der Decke über Carstens Beinen und erschwert die Blutversorgung der Füße. Carsten ist es egal. Die akute Lebensgefahr ist gebannt, aber er weiß, es sieht nicht gut aus. Obwohl er blass ist wie ein hungriger Vampir, glüht seine Stirn wie die Herdplatte eines Amok laufenden Ofens. Ein trockener Husten schüttelt die alten Knochen in immer kürzer werden Abständen durcheinander. Mandy-Ursula sitzt neben ihm auf der Bettkante und hält Händchen. Ihre Augen haben verdächtig rote Ränder, die so gar nicht zu ihrer augenscheinlichen Munterkeit passen wollen.
    «Na, wie gehts dir jetzt, Tiger?»
    «Besser.»
    «Na, siehst du. Bald bist du über den Berg.»
    Carsten lächelt müde.
    «Lass stecken, Zuckerschnecke, das ist jetzt definitiv der letzte Anstieg, dann habe ich es tatsächlich geschafft. Ein letzter Blick von oben und dann …»
    «Das darfst du nicht sagen, Klunckerchen, wir werden …»
    «… doch nicht mehr zusammen alt werden. Schade, ich hatte mich so darauf gefreut.»
    Mandy-Ursula muss schlucken. Auf ihren Augen liegt ein feuchter Film.
    «Wer will schon alt werden.»
    «Da sagst du etwas Wahres. Bleibst du solange bei mir, bis es vorbei ist?»
    «Ich bleibe für immer bei dir.»
    Carsten grinst und tätschelt nun seinerseits Mandy-Ursulas Hand.
    «Tapferes Mädchen. Trotzdem: Du kannst hier nicht bleiben. Im Moment sind die Damen und Herren Stadtoberen noch mit sich selbst beschäftigt, aber irgendwann wird sich jemand die Überwachungsdaten vornehmen und dann muss er nur eins und eins zusammenzählen. Nein, ich bin mir sicher: In Kürze ist hier die Hölle los. Spätestens morgen früh musst du hier weg. Die Jungs im Kreuzviertel können dir weiterhelfen. Bei denen hab ich noch einen gut. Ich schau derweil, was Horst macht. Ich glaube nämlich nicht, dass er ohne mich klarkommt.» Carsten hält erschöpft inne und schließt die Augen, was Mandy-Ursula mehr als nervös macht.
    «Carsten, Klunckerchen, geht es dir gut? Kann ich was für dich tun? Sag schon.»
    Carsten öffnet vorsichtig ein Auge.
    «Jetzt, wo du es sagst. – Ich könnte ein letztes Bier vertragen.»

cxxi Reisevorbereitungen
    Mandy-Ursula ist todtraurig, aber sie ist realistisch genug, um zu wissen, dass Carsten recht hat. Eigentlich war und ist sie schon immer Realistin gewesen. Man kann nicht jahrelang im medizinisch-technischen Komplex arbeiten, ohne den Großteil von esoterisch-philantropischer Verträumtheit zu verlieren. Das, was davon noch übrig war, hat sie in die Beziehung mit Carsten

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