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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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seiner Fingernägel vertretbares hygienisches Risiko.
    «Los, raus mit der Sprache.»
    Nach einer weiteren endlosen Pause geht ein Ruck durch Carstens Körper. Er zieht den Finger aus der mittlerweile lauwarmen Biersuppe, leckt ihn ab und richtet den Blick auf sein Gegenüber.
    «Ich habe mich verliebt.»
    Horst jagt eine halbe Kanne Bier in Form von Sprühnebel über den Tisch, hustet kurz, schluckt, hustet, schluckt erneut und fängt schließlich an zu zucken. Bevor Carsten sich Sorgen machen kann, öffnet er den Mund und produziert die Horst Gerlachsche Variante eines brüllenden Gelächters. Carsten und Helmut – beide gleichermaßen Opfer des niedergegangenen Biernebels – verfolgen den Vorgang genervt.
    «Was ist daran so witzig?»
    Horst muss sich mehrfach räuspern, bevor er antworten kann.
    «Hömma, Carsten. Du bist keine siebzehn mehr.» Dann intoniert er: «Siebzig Jahr, Prostata, kaum noch stand er mir …»
    «Was hat das damit zu tun?»
    «Um sich zu verlieben, braucht man eine Minimalausstattung bestimmter Hormone. Testosteron zum Beispiel. Botenstoffe. Was weiß ich. Das Einzige, was in deinem Blut noch schwimmt, sind C 2 H 5 OH-Moleküle. Besser bekannt als Alkohol.» Er kichert, bevor er fortfährt. «Und was ist mit den anderen unabdingbaren körperlichen Voraussetzungen, die notwendig werden, um das laue Gefühl in der Brust zu etwas Handfesterem zu machen. Wenn du weißt, was ich meine.»
    «Das lass mal meine Sorge sein.»
    «Oh, der Herr ist verschnupft. Aber mal ehrlich. Ein Fläschchen Dünger von deiner Spezialmischung ist da wenig hilfreich. Wie willst du die Dame … es ist doch eine Dame, oder?» Horst schnuppert vernehmlich. «Ich meine, wir haben hier doch wohl in Zukunft keine Jubeltrine rumrennen, die uns ständig bunte Filzdeckel unter die Flaschen schieben will?»
    Carstens Stirn hat sich umwölkt, das erste Mal seit vorgestern, als Mandy sich in seinem Vorgarten materialisierte.
    «Da kann ich dich beruhigen», sagt er steif, «wir, äh, haben schon …»
    «Ihr habt schon? In was für einen Sumpf moralischer Verwerfungen bin ich abgetaucht? Ihr könnt euch doch gerade mal … was sag ich – drei Tage kennen.»
    «Zwei.»
    «Zwei Tage? Und dann springt ihr in die Betten wie die liebestollen Pudel? Ich muss mich ja wundern.»
    «Liebestolle Pudel! Das muss ich mir von einem Pferdebumser wie dir ja wohl nicht bieten lassen.»
    Carsten steht auf und geht zum Kühlschrank um frisches Bier zu holen.
    «Deckpersonal! Wenn schon, denn schon.» Horst grinst. «Und wie ist es so, dein neues Pferdchen?»
    Ein Lächeln wandert über Carstens Gesicht und reduziert die Profiltiefe der zahllosen Falten um mindestens einen halben Zentimeter.
    «Sie ist wunderbar. Total super. Frisch, knackig, witzig …»
    «Halt, stopp! Denkst du vielleicht auch mal an den Altersunterschied?»
    Carsten runzelt die Stirn.
    «Na ja, das ist schon ein Thema.»
    «Wie viel?»
    «Zehn Jahre. Na, jetzt elf.»
    Horst lässt sich erleichtert zurück in das Polster sinken.
    «Mein Gott, Carsten. Du hast mir ja einen richtigen Schrecken eingejagt. Ich hatte schon die Befürchtung, deine neue Flamme könnte noch zur Schule gehen und wir haben hier demnächst die Sitte vor der Tür stehen. Da bin ich aber beruhigt. Wohlsein!» Er hebt seine Flasche und gongt dezent an Carstens Krug. «Obwohl es schon ein bisschen sehr schnell ging, finde ich.»
    «Bisschen schnell? Ich bin sechsundsiebzig geworden. In dem Alter geht alles so schnell, da kann man nicht mehr bremsen. Warum auch?»
    «Und wie war sie so? Ich meine, konntest du …? Habt ihr, ich meine, mehr als einmal …?»
    Carstens gute Laune beginnt sich erneut zu verflüchtigen.
    «Ich werde dir altem geilen Sack doch nicht erzählen, wie Mandy im Bett, beziehungsweise auf der Couch ist. Da reiß ich mir lieber die Zunge raus.»
    «Vorsichtig, die könntest du eventuell noch brauchen, um gewisse Erschöpfungszustände abzufedern. – Aber wie du willst, dann hast du sicher nichts dagegen, wenn ich der Stangenfieber umgehend von der Wiedererstarkung deiner körperlichen Kräfte berichte. Ich könnte mir vorstellen …»
    «Schon gut, schon gut. – Ich erzähls dir ja.»
    Horst grinst ihn an.
    «Das dauert sicher länger. Ich hol mir noch ein Bier.»
    Carsten wirft einen Blick auf den Kater, der mit lässig untergeschlagenen Pfoten auf der Couch liegt und ihn stoisch fixiert, dann dreht er den Kopf zu Horst.
    «Ist Helmut eigentlich schon volljährig?»

xiv Der Kreis

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