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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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Pathologie. Die sind chronisch unterbesetzt und leiden trotzdem an einer anhaltenden Schlafstörung. Muss am Geruch liegen.»
    Erkan Ederim hat seine Füße mit einer seiner Gesichtswahrung angemessenen Geschwindigkeit vom Tisch genommen und stattdessen die Arme auf dem Tisch verschränkt.
    «Schon gut, Cheffe. Bitte keine Welle. Ich habe seit drei Wochen keinen freien Tag mehr gehabt, von einer Nacht mit mehr als sechs Stunden Schlaf ganz zu schweigen. Erbauungsunterricht aus der Amateurklasse hilft mir jetzt nicht weiter. Also, was gibt es?»
    Doktor Bröskamp wippt ein wenig auf den Ballen hin und her, dann entscheidet er sich für die mäßig-kollegiale Variante.
    Er zieht sich einen Stuhl heran, setzt sich und verschränkt die Arme ebenfalls auf dem Tisch. Sein grobporiger Zinken ist keine dreißig Zentimeter von Erkans Hakennase entfernt.
    «Ich kann Ihnen sagen, was es gibt. Es gibt nichts. Und zwar aus Ihrer Abteilung. Diese Wahnsinnigen bomben unser schönes Münster in Grund und Boden und Sie kommen mir mit weniger als nichts. Keine Erkenntnisse, keine Täter, noch nicht einmal eine vollständige Liste der Opfer. Ich mag schon nicht mehr ans Fon gehen, weil ich Angst habe, es könnte schon wieder der Stadtdirektor sein – oder dieser Freiherr von der Hohen Ward. Oder irgendein anderer Großkopferter. Ich kann denen nichts sagen. – Die mir aber leider schon. Möchten Sie hören, was ich mir tagein tagaus anhören muss?»
    Erkan hat diese Platte schon an die hundert Mal gehört und beschließt seinerseits auf Kuschelkurs zu gehen.
    «Ich weiß ja, Chef, ich weiß ja. Sie haben es von allen am schwersten. Halten den Kopf für uns hin. Das muss die Hölle sein. Versteh schon.»
    Er hebt die Hand, um seinem Chef den Arm zu tätscheln, kann sich aber im letzten Moment bremsen.
    «Leider hat sich am grundlegenden Problem bei dieser Ermittlung wenig geändert. Dieses Problem ist: Es gibt keine Fakten, nur Schäden. Von der ersten Täterin ist nicht mal ein Pappbecher Gewebe übrig geblieben. Für das zweite Attentat gibt es noch nicht mal Zeugen, keine verifizierbaren Hinweise, nichts, was man ermitteln könnte. Von Numero tres y quatro ganz zu schweigen. Das Einzige, was wir haben, ist die Botschaft, die man uns geschickt hat.»
    «Das ist doch immerhin schon mal was. Das ist doch wie eine Visitenkarte.»
    «Eine Visitenkarte, ja. Allerdings ohne Adresse.»
    «Aber der Film muss doch irgendwo gedreht worden sein. Kann man die Landschaft nicht mit den allgemeinen GPS-Daten abgleichen?»
    Doktor Bröskamp ist für seine therapieresistente Technik-Legasthenie weit über die Grenzen des Präsidiums hinaus berüchtigt.
    «Es gibt keine Filme mehr. Jedenfalls nicht mehr so wie früher. Schon seit zwanzig Jahren werden die Dinger im Rechner gebaut. Der uns vorliegende Spot wurde mit einem Tool namens Canvas 4D zusammengebraten. Das Ding kann man in jedem Supermarkt kaufen. Die Leute, die den Spot programmiert haben, könnten Minderjährige sein, die in Neu-Delhi sitzen und sich nach der Schule ein paar Rupien extra verdienen. Der Datenträger selbst ist ein alter Hut, wurde aber vorher noch nie mit Daten bespielt. Aus der Richtung also auch keine Erkenntnisse. Die Stimme? Computergeneriert.»
    «Was ist mit einer Textanalyse?»
    «Textanalyse? Von dem pseudo-mystischen Geschwafel? ‹Wir sind die Sprengmeister. Gebt uns, was wir wollen.› Ja, was wollen sie denn, die Sprengmeister. Es gibt hundert Möglichkeiten, was damit gemeint sein könnte. Vielleicht muss es auch nur der Richtige in die Hand bekommen, um zu wissen, was gemeint ist. Ansonsten keine Übereinstimmung mit irgendeiner unserer Datenbanken. Die sind nicht doof, die wissen, was sie tun.»
    «Wir anscheinend nicht, wenn ich mir das so anhöre.»
    «Nicht ungerecht werden, Chef. Wir tun, was wir können. Wir haben zurzeit zu wenige Daten. Das wird aber garantiert nicht so bleiben, nicht bei diesen Schweinepriestern. Sobald wir etwas ausbaldowert haben, melde ich mich. Sie sind der Erste, der es erfährt. Versprochen.»
    Doktor Bröskamp bestreicht sein Gegenüber mit dem berühmt-berüchtigten Blick seiner blassen Murmeln, der beim Adressaten stets den Eindruck hervorruft, einer telepathischen Attacke ausgesetzt zu sein. Erkan Ederim wird spontan mulmig.
    «Äh, eins noch, Chef. Die Botschaft. ‹Das wunderkräftige und heilige Gefäß in unschuldiger Reinheit›, das hat mich irgendwie, na ja, an dieses alte Märchen erinnert, Gral und so. Und dann fiel

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