Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
fluten. «Weil ich ein Riesenbaby bin. Und noch intelligent dazu. Sehr intelligent. Zu intelligent. Die Mischung will kein Mann. Wer will denn erst die Leiter holen, bevor er mich küssen kann. Und sich dann abends die Relativitätstheorie erklären lassen. Gott, wie ich das alles hasse.»
«Hattest du nicht neulich so einen stattlichen, blonden, jungen Siegfried?»
«Komm mir bloß nicht mit dem. Weißt du, was der zu mir gesagt hat? Bevor er es mit einer Walküre wie mir aufnehmen könne, müsse er erst in Drachenblut baden. Er würde sich melden, wenn er ein Spendertier gefunden hat.»
«Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist.»
«Du hast gut reden. Du bist ja jetzt bestens versorgt, wie man hört.»
Bevor Carsten dem Gespräch eine neutrale Wendung geben kann, setzt sich Horst an den Tisch. Praktischerweise hat er drei Behältnisse mit dem Standardtrinkgut der Gemeinde dabei. Vorsichtig stellt er die Gläser ab. Dann nimmt er sich das größte.
«Hallo Sabine, hast du nichts Besseres zu tun, als alte Säcke von der Durchforstung ihres Langzeitgedächtnisses abzuhalten?»
«Ich wollte, ich hätte.» Sabine zieht den Ärmel ihres Shirts über die Hand und wischt sich die Tränen ab. Ohne großen Erfolg, denn die Tränendrüsen sorgen für sofortigen Nachschub.
«Wo liegt denn das Problem?»
«Jungfräulichkeit», antwortet Carsten an Sabines statt, «nicht das Fehlen, sondern das Vorhandensein.»
«Wenn ich meine Hilfe anbieten darf. Ist nur ein kleiner ambulanter Eingriff.»
Sabine schnauft empört.
«Ihr seid wirklich die Letzten, deren Hilfe ich diesbezüglich in Anspruch nehmen würde. Die Allerletzten – um genau zu sein.»
«Na ja, wenn du das Problem lieber allein lösen möchtest. Ich könnte dir eine angemessen dimensionierte Zucchini anbieten. Aus garantiert biologischem Anbau. – Du nimmst ein schönes, warmes Bad und dann …»
Der Inhalt von Sabines Trinkgefäß schwappt über den Tisch und beendet Carstens Wortbeitrag. Noch bevor er sich das Bier aus den Augen wischen kann, ist Sabine verschwunden. Horst, der wie durch ein Wunder verschont wurde, grinst schadenfroh.
«Und da dachte ich, du hättest auf deine alten Tage doch noch gelernt, wie man mit Frauen umgeht. Na ja, irren ist menschlich.»
Er steht auf und kommt kurze Zeit später mit Nachschub zurück. Carsten hat derweil die Spuren des schnöden Angriffs beseitigt.
«By the Way – wo ist deine Angebetete? Wollten wir nicht zusammen feiern?»
Carsten runzelt die Stirn.
«Ja, wollten wir. Ich weiß auch nicht. Genau genommen habe ich Mandy seit einer Woche nicht mehr gesehen.»
«Nun, wenn es an deiner nachlassenden Leistungsbereitschaft liegen sollte, könnte ich dir mit einem speziellen Abfallprodukt aus der Pferdeforschung aushelfen. Hat schon tote Hengste wiedererweckt.»
Carsten stürzt seinen Hopfenpunsch runter und schüttelt den Kopf.
«Mach keine Witze. Das ist gar nicht Mandys Art. Langsam mache ich mir Sorgen.»
Horst grinst ihn an.
«In deinem Alter solltest du das auch.»
xxiv Katerstimmung
Sang- und klanglos ist das neue Jahr gekommen und hat außer den üblichen sinnlosen guten und schlechten Vorsätzen jede Menge Schnee gebracht. Carstens Bleibe sieht aus wie das Häuschen der bösen Hexe nach einem längeren Blizzard. Mühsam schiebt Horst die Gartentür durch die aufgeworfenen weißen Haufen und kämpft sich beherzt in Richtung Eingangstür. Abgesehen von ein paar tiefen Pfotenabdrücken ist die Schneedecke unversehrt. Käme nicht eine dünne Rauchsäule aus dem Schornstein, würde man auf eine seit Längerem währende Abwesenheit des Bewohners schließen. Horst hingegen kennt seinen Pappenheimer. Er setzt sein Körbchen in den Schnee und hämmert an die Tür. Erst nach zehn Minuten hört man Gerumpel und Gefluche von innen, dann wird die Tür aufgerissen. Im Türsturz steht Carsten und mustert seinen alten Kumpel mit blutunterlaufenen Augen. Unrasiert, ungekämmt, mit fettigen Haaren, stinkend wie eine Biotonne und in jeder Beziehung unleidlich bietet Carsten insgesamt ein Bild des Grauens.
«Was willst du?», raunzt er.
«Ein frohes neues Jahr, Schatz. Wie siehst du denn aus?»
«Verpiss dich. Ich will meine Ruhe haben.»
Bevor Carsten die Tür wieder ins Schloss werfen kann, hat Horst sich vorbeigedrängt.
«Nun mach mal halb lang, Brauner. Du bist höchstwahrscheinlich nicht der Einzige, der einen schlechten Rutsch hatte. – Obwohl ich persönlich nicht klagen
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