Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
als Antwort durchgehen kann.
«Lass mich raten. – Mandy?»
Carsten würdigt seinen alten Mitstreiter keiner Reaktion.
«Wann hast du Mandy das letzte Mal gesehen?»
Es dauert eine weitere Flasche Selbstgeschraubtes, bevor Carsten antwortet.
«Kurz vor Weihnachten. Am siebzehnten Dezember – um genau zu sein.»
«Und seither?»
«Nichts.»
«Keine Nachricht? Gar nichts?»
«Sag ich doch. Bist du taub?»
«Jetzt sei mal nicht gleich so empfindlich. Bist du mal bei ihr vorbeigegangen? Vielleicht ist sie krank.»
«Wäre ich. Aber als ich wollte, fiel mir auf, dass ich gar nicht weiß, wo sie wohnt. – Hab ich gar nicht dran gedacht, ehrlich gesagt.»
«Das Einzige, woran du in letzter Zeit gedacht hast, ist dein dummer, alter Schwanz.»
Angesichts von Carstens jämmerlichem Zustand unterdrückt Horst den Impuls, das Thema zu vertiefen.
«Was ist denn das Letzte, an das du dich erinnern kannst. – Von Mandys Unterleib mal abgesehen?»
Carsten stiert eine Weile mit gerunzelter Stirn ins Leere.
«Wir waren spazieren.»
«Und worüber habt ihr geredet? Oder redet ihr nicht miteinander? – Bist du vielleicht frech geworden? So wie zu den Anderen?»
«Kann mich nicht erinnern. – Ich glaube, Mandy hat mich nach meinem alten Job gefragt. Was ich gemacht habe und so. Damals.»
«Und damit hast du sie zu Tode gelangweilt, vermute ich.»
«Ganz im Gegenteil. Mandy war geradezu entzückt. Fand das alles superspannend. Ich musste ihr sogar meine alten Pläne zeigen.»
«Pläne? Was für Pläne?»
«Münsters altes Kanalsystem. Stadtentwässerung und so weiter.»
«Eine Frau interessiert sich für Stadt entwässerung? Das habe ich ja noch nie gehört. Warum denn das?»
«Weiß ich auch nicht. Aber Mandy war richtig aus dem Häuschen. Na ja, ist auch nicht uninteressant. Münsters Unterwelt, wenn du weißt, was ich meine. Quasi eine Stadt unter der Stadt. Das Reich der Ratten und Kakerlaken.»
«Und wo sind die Pläne jetzt?»
«Wo sie vorher auch waren. Im Schuppen.»
«Sicher?»
Carsten zuckt irritiert mit dem Kopf.
«Warum sollte jemand … Das macht doch alles keinen Sinn.»
«Nur mal so aus Spaß …»
«Du meinst, ich soll nachschauen. Jetzt? Bei dem Wetter?»
«Frische Luft würde nicht nur mir gut tun.»
Geistesabwesend ruht Carstens Blick auf dem Kater, der sich nach dem Verzehr seiner Portion Likör zum Holzofen geschleppt hat und dort auf die Seite gesunken ist. Das Maul leicht geöffnet, schnarcht er vor sich hin.
«Um Helmut musst du dir keine Sorgen machen. Der liegt für die nächste Zeit im Säuferkoma.»
Als Carsten fünf Minuten später die alte Holzkiste mit den Plänen öffnet, ist es dann doch ein kleiner Schock. Die Kiste ist leer.
xxv Behördliche Warnung
Erkan Ederims Tage der Einsamkeit und Verzweiflung sind gezählt. Nächsten Montag kommt sie aus dem Urlaub zurück, seine Stütze des Alters, der Traum seiner schlaflosen Dienstzeiten, die Bezwingerin der Aktenberge. Bis dahin gilt es allerdings noch, einen letzten Kraftakt zu vollbringen. Erkan stapelt den Großteil der Akten aus seinem Büro zu einem gefälligen Türmchen und wuchtet sie hinüber auf den Schreibtisch von Heike Willmann, der Verwaltungskampfsportsekretärin. Wer aus dem Urlaub kommt, muss leiden. Je länger der Urlaub, desto größer die Qualen. Ein wenig mehr sexuelles Entgegenkommen könnte Linderung verschaffen, aber wer nicht will, der hat schon. Zufrieden begutachtet Erkan Ederim sein Werk. Sehr schön. Die Farbe der Schreibtischplatte ist unter dem Riesenhaufen von Papier nicht mehr zu erkennen. Erkan Ederim schlendert zurück in sein Büro und macht es sich in seinem Ledermonster bequem. Seine Füße finden auf dem freigeräumten Schreibtisch ein neues, schönes Zuhause. Bevor es allerdings gemütlich werden kann, wird die Tür aufgerissen und sein Chef, der unerquickliche Doktor Eberhard Bröskamp, Polizeipräsident und notorische Arschkrampe, entert das Büro. Der Anblick von Erkan Ederims in Kopfhöhe abgelegten Füßen stößt erwartungsgemäß auf wenig Beifall.
«Was ist denn hier los? Wir malochen uns den Arsch blutig und der stellvertretende Leiter der Abteilung Objektschutz und Gefahrenabwehr macht ein gepflegtes Nickerchen. Wenn Ihnen bei Ihrer scheinbar wenig anspruchsvollen Tätigkeit vor Langeweile die Augen zufallen, hätte ich ein probates Gegenmittel in petto. In Form von ein paar Observationsaufträgen im Kreuzviertel, beispielsweise, oder Innereien sortieren in der
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