Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
kann.»
In der Hütte riecht es wie in einem Murmeltierbau kurz vor Frühlingsanfang. Horst hält die Luft an, watet durch den Müll zum Wohnzimmerfenster und reißt es auf.
«Gut, dass ich dich gerettet habe. Du wärst in Kürze erstunken. Wo ist Helmut? Heelmuut!»
«Was interessiert dich der dumme Kater. Ich dachte, du bist meinetwegen gekommen.» Carsten kratzt sich an der Brust und furzt vernehmlich. Dann beginnt er eine Trommel Buntwäsche, die über den Boden verstreut ist, zu durchwühlen. Muffige Wogen aus käsigem Altmännerschweiß wabern durch den Raum. Schließlich zieht er einen Pullover mit Norwegermuster aus dem Textilmüll und würgt sich das Ding über den Kopf.
«Hast du was zum Frühstücken mitgebracht?»
«Zum Frühstücken? In gewisser Weise – ja. Weißt du überhaupt, wie spät es ist? Welches Datum wir haben? Welches Jahr?»
«Interessiert mich nicht. Los, deck den Tisch oder verpfeif dich.»
Horst setzt sich und räumt die Flaschen aus seinem Korb. In seinem fadenscheinigen grauen Wollmantel mit der Rote-Kreuz-Armbinde ist er optisch nicht so weit von Carstens Erscheinung entfernt, wie er es gern hätte. Der Fluch der unteren Einkommensschichten. Sein unterprivilegierter Kumpel hat derweil den Verschluss der ersten Flasche springen lassen und den Inhalt mit gurgelnden Schlucken versenkt. Eine zweite Flasche folgt dem Schicksal ihrer Halbschwester. Bevor er sich an weitere Blutsverwandte heranmachen kann, hat Horst den Tisch zu sich herübergezogen.
«Gemach, mein Lieber. Ich habe mich nicht durch Eis und Schnee gekämpft, um dir bei einer Schnellbesohlung zuzusehen. – Hier, meinetwegen kannst du dir das hier reindrücken.»
Horst schiebt eine Flasche mit einem dottergelben Inhalt zu ihm hinüber. Carsten beäugt die Flasche misstrauisch.
«Was soll das sein? Pferdeeiter?»
«Nah dran, mein Lieber. Es handelt sich um selbst gemachten Eierlikör, der den Weihnachtspunsch überlebt hat. Kommt von Stangenfieber und war wahrscheinlich zur sexuellen Stimulanz der männlichen Festgäste gedacht.»
«Eierlikör?» Carsten hat den Korken aus der Flasche gezogen und riecht vorsichtig an der Öffnung. Dann verzieht angeekelt das Gesicht. «Das riecht ja widerlich.» Bevor er die Flasche zurück auf den Tisch stellen kann, fliegt ein schwarzer Schatten durch den Raum, der sich während des kurz darauf erfolgenden Bremsmanövers als Helmut entpuppt. Der Kater klettert geziert auf Carstens Knie und fixiert die Flasche in dessen Hand mit starrem Blick. Carsten will den Kater zur Seite schieben, aber Helmut hat die Krallen seiner baggerschaufelgroßen Pfoten ausgefahren und in Carstens Oberschenkel versenkt. Er riecht mit zitternden Schnurrhaaren an der Öffnung der Flasche, seine Augen sind halb geschlossen, aus seiner Kehle kommen schnarrende Geräusche.
«Denkst du das Gleiche?»
«Jepp. Der Kater hat Durst, wie es scheint.»
«Den man nur mit Eierlikör löschen kann?»
«So siehts aus.»
«Würdest du mir dann bitte einmal kurz zur Hand gehen. Das dämliche Vieh hangelt mit seinen Krallen gerade nach meiner Oberschenkelarterie.»
Horst beugt sich vor und zieht einen klebrigen Unterteller aus dem Restmüll vor ihm, nimmt die Flasche und schenkt ein. Noch bevor der Teller wieder auf dem Boden steht, ist Helmut über den Tisch geflankt und hat seine blassrote Schmirgelpapierzunge in die gelbe Flüssigkeit getaucht. Kaum, dass der erste Schluck die Kehle erreicht hat, durchläuft eine Welle wohligen Schauderns den massigen Katzenkörper und eine Reihe spastischer Zuckungen beginnt vom Kopf abwärts Richtung Hinterteil zu fließen, erklettert den aufgestellten Schwanz und endet mit einem eleganten Schlenker seiner Spitze. Sofort nimmt Helmut den nächsten Schluck und eine weitere Folge von Erschütterungen durchläuft seinen schweren Leib. Ein nie zuvor gehörtes sonores Brummen erfüllt den Raum und lässt den Boden vibrieren.
«Da guck sich mal einer den Kater an. Wird mir ja fast sympathisch, das Vieh.»
«Seit wann sind Säufer sympathisch. Vorher hat er mir besser gefallen.»
«Vorher hast du mir besser gefallen.»
«Ich habe dir gefallen? Das gibt mir aber zu denken.»
In trauter Eintracht machen sich die drei Herren über den Rest der Getränke her und bis auf das stete Schnurren, das von der Katzentheke herüberquillt, ist es still im Raum.
Eine halbe Stunde später bricht Horst das Schweigen.
«Was ist los, Carsten?»
Carsten grummelt etwas in den Bart, das aber kaum
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