Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
um zu wissen, dass es Helmut, die Geißel der Karpaten war, die erneut zugeschlagen hat. Das rechts außen liegende Tier ist etwas größer als seine dahingegangenen Artgenossen. Carsten geht in die Knie, mustert das blutverschmierte, braunschwarz melierte Fellbündel und seufzt tief auf. Es ist – oder besser war – keine Ratte, sondern Caroline, Elviras Chihuahua, dem seine größenmäßige Verwandtschaft mit dem Erzfeind zum Verhängnis geworden ist.
Carsten fehlt die Kraft für weiteres Kondolenzgebaren, überhaupt war er noch nie gern der Überbringer schlechter Nachrichten. Horst kann er auch nicht vorschieben, denn Horst ist in geheimer Mission für ihn unterwegs. Carsten entscheidet sich infolgedessen für die schmerzlose Variante. Er geht zum Schuppen, holt seinen Spaten und vergrößert den Kleintierfriedhof hinter dem Komposthaufen, den anzulegen er sich schon bald nach Helmuts Einzug genötigt sah, um eine weitere Parzelle. Nach getaner Arbeit und kurzer formloser Trauerfeier geht er in seine Hütte, um mit dem Schlächter von Klein-Wilkinghege ein ernstes Wörtchen zu reden. Zumindest das ist er Caroline schuldig.
In der Hütte auf dem Sofa sitzt nicht wie erwartet Helmut in Siegerpose, sondern sein Mann fürs Grobe: Special Agent Horst Gerlach. Seit Horst undercover arbeitet, hat er sein allzeit bereites weißes Shirt mit dem großen roten Helferkreuz gegen ein schmuckes, schwarzes Button-down-Hemd getauscht, dazu trägt er eine antike Levis 501 in gleicher Optik. Die Herausforderungen seiner neuen Profession scheinen jedoch ihren Tribut zu fordern: Die Ränder unter seinen Augen haben ebenfalls die Farbe der Oberbekleidung angenommen, die Haut ähnelt einem Knäuel Gebrauchtpergament, die Mundwinkel zucken nervös. Insgesamt bietet Horst keine erfreuliche Erscheinung. Im Vergleich mit Mandy sieht er allerdings aus wie das blühende Leben.
«Sieh da, der Spion, der sich liebte.» Carsten dreht eine kurze Runde durch sein kleines Reich. Mandy liegt schlafend in seinem Bett, neben ihr Helmut, den Umstand, dass das Schlafzimmer Sperrgebiet für ihn ist, konsequent ignorierend. Carsten schließt vorsichtig die Tür, geht zurück ins Wohnzimmer und setzt sich in seinen Sessel, nicht ohne vorher zwei Flaschen Hopfentee aus dem Kühlschrank zu nehmen. Horst hat Glück und bekommt eine ab.
«Also, wie war dein heutiger Auftritt?»
Horst führt zunächst einen konzentrierten Schlag gegen den altersbedingten ständigen Flüssigkeitsmangel in seinem Körper, bevor er antwortet. Die alte Leichtigkeit ist ihm abhandengekommen.
«Ich weiß jetzt, wo das Trainingscamp ist», sagt er gedehnt.
«Trainingscamp? Was für ein Trainingscamp?»
«Sag mal, hast du neuerdings Durchblutungsstörungen im Gehirn? Das Camp der Sprengmeister natürlich. Worüber reden wir denn die ganze Zeit?»
«Woher soll ich wissen, dass die ein Trainingscamp haben? Was wird denn da trainiert?»
«Trainingscamp, Bombenwerkstatt, geheimer Stützpunkt – nenn es, wie du willst. Jedenfalls werden dort die Leute geschult. Damit sie sich und andere später gepflegt umpusten können.»
«Das muss man trainieren? Ich dachte, man drückt auf einen Knopf und das wars.»
Horst ist der Sinn für jedwede Komik vergangen. Er holt sich ein weiteres Getränk.
«Sehr witzig. Du wolltest wissen, wo die Sprengmeister logieren? Bitteschön! Du findest sie in den Räumen des ehemaligen Tierheims, oben, in der Nähe der alten Schleusenanlage. Du weißt schon.»
«Ist das da oben nicht alles abgesperrt? Wegen der Seuche und so?»
«Seuche und so? Du machst mir Spaß, wir reden hier von einer Mutation des alten afrikanischen Schweinepest-Virus, Familie der Asfarviridae, das sind behüllte DS-DNA-Viren, hoch kontagiös, werden schon durch einfachen Tierkontakt übertragen. – Saugefährlich, das Zeug.»
«Ja, für Schweine. Sehe ich aus wie ein Schwein?»
«Manchmal ja. Auf jeden Fall benimmst du dich wie eins.»
«Sagte das Wildschwein im Porzellanladen …»
«Spaß beiseite, das Virus macht zwar auch vor unsereinem nicht halt, trotzdem glaube ich nicht, dass es dort noch aktiv ist. Das soll nur so aussehen.»
«Hast du dich da mal umgeschaut?»
«Umgeschaut? Ich bin doch nicht lebensmüde!»
«Du hast doch gerade gesagt, dass …»
«Glauben heißt nicht Wissen.»
«Apropos Wissen – woher weißt du das alles? Sprengmeister, Gralshüter, der ganze Kram.»
«Willst du gar nicht wissen.»
«Doch, will ich!»
«Na schön. Du kennst doch
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