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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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Karin, eine der Tippsen bei Life-Aid ?»
    «Nö, sollte ich?»
    «Egal. Jochen hatte mal was mit Karin, hat sich aber daneben benommen, deshalb ist Karin sauer auf Jochen, der wiederum …»
    «Ich habs mir überlegt. Ich will es doch nicht wissen.»

xlvii Das Ritual
    In den geheimen Katakomben tief unter dem alten Klinikum von Münster ist der Teufel los, denn Bruder Hellström ist erhört worden. Dem Anlass entsprechend hat sich der gesamte spirituelle und organisatorische Kern der Neuen Hüter vom Heiligen Gral zusammengefunden, um die nunmehr auch faktische Wiedergeburt ihres Ordenszwecks stilvoll zu begehen. Der Ort der Zusammenkunft lässt ein wenig die gewohnte Pracht ähnlicher Gedenkstätten vermissen, aber der Laden ist geheim und soll es auch bleiben. Das hat seine Anhänger allerdings nicht abhalten können, fast vollständig zu erscheinen. Dem Gebot der Statuten folgend sind die Anwesenden ausnahmslos in Ordenskleidung gehüllt, eine Mischung aus Tempelritteruniform und zeitgemäßer Festkleidung. Die Farben sind gedeckt, nur die armfreien Umhänge sind weiß und zeigen das große Kreuz der Templer auf Brust und Rücken.
    Der Hohepriester der Hüter , Seine Exzellenz Freiherr von der Hohen Ward hat sich bereits huldvoll durch Einzug, Begrüßung, Schuldbekenntnis, Kyrie und Gloria durchgebetet. Jetzt ist es Zeit für ein paar besinnliche Worte an die Gemeinde. Seine Worte brechen sich an den feuchten Wänden aus uralten Brandziegeln und geben seiner Stimme eine dekorative Tiefe.
    «Beim letzten Abendmahl setzte Christus das Opfer und das österliche Mahl ein, auf das in der Kirche das Kreuzesopfer immer gegenwärtig sein wird. Christus nahm das Brot und den Kelch, sprach den Lobpreis, brach das Brot und reichte beides seinen Jüngern mit den Worten: Nehmt, esst und trinkt, das ist mein Leib, das ist der Kelch meines Blutes. Tut dies zu meinem Gedächtnis. Und siehe, die Gaben wurden zu Christi Leib und Blut. Diese heilige Reliquie, gleichwohl das Gefäß, mit dem Josef von Arimathäa das Blut unseres Herrn unter dessen Kreuz aufgefangen hat, nachdem der unheilige römische Soldat Longinus ihm seine Lanze in die Seite stieß, ist verschollen, auf ewig verloren und auch Abbé Saunière und Rennes-le-Château konnten sie uns nicht wiederbringen. Die dem göttlichen Blut innewohnende gewaltige Kraft, der Besitz höchsten irdischen Glücks und ewiger Jugend sind jedoch zu uns zurückgekehrt. Mithilfe dieser göttlichen Gaben wird es uns gelingen, den Ungläubigen dieser Welt den Weg zurück ins Heil zu weisen. Denn unser ist nun die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit . Amen.»
    Vier Messdiener tragen eine kleine Sänfte aus kostbaren Hölzern mit kunstvoll geschnitzten Szenen der Kreuzigung auf den Längswänden hinein und stellen sie vor den Altar. Dann heben sie den Deckel ab. Seine Exzellenz greift hinein und zieht einen mittelgroßen gravierten Kristallzylinder mit opulent gearbeiteten Verzierungen aus massivem Gold heraus. Dutzende von verschiedenfarbigen Edelsteinen funkeln im Licht der zahllosen Kerzen. Es ist der neue Heilige Gral. Ein Symbol zwar nur, aber man muss die Anwesenden ja nicht mit den biogenetischen Details der Herbeiführung von Unsterblichkeit langweilen. Nach ein paar Jahren werden die neuen Hüter sowieso vergessen haben, wie alles begonnen hat, denn Macht vergisst. Er wendet sich um und bringt das Gefäß zum Altar, dem Tisch des Herrn und stellt es dort ab. Korporale, Purifikatorium und Messbuch sind schon bereitgestellt worden. Jetzt bringen auch die weiteren Anwesenden ihre Gaben: Brot und Wein, aber auch Bargeld, Schuldverschreibungen und andere Wertgegenstände zur Finanzierung ihrer kleinen Unternehmung.
    Das Herbeibringen der Gaben wird vom Gesang zur Gabenbereitung begleitet, der so lange anhält, bis alles hübsch um den Gral herum platziert ist. Schließlich erfolgt der Inzens der Opfergaben, des Altars, des Zelebranten und der Gemeinde, in dessen Verlauf die Messdiener mindestens ein weiteres Viertelpfund Weihrauch verkokeln, was Hohe Ward gar nicht bekommt, denn er ist gegen das Zeug allergisch. Schließlich ist auch das überstanden. Als Ausdruck des Verlangens nach nicht nur innerer Reinigung wäscht er sich die Hände, dann dreht er sich zurück zu seiner Gemeinde. Manchmal fragt er sich, ob es eine so gute Idee war, der ganzen Chose diesen pseudo-religiösen Touch zu geben. Andererseits, die Leute lieben den Pomp, wollen einzigartig sein, im besonderen, am besten

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