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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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beschließt, die Gesprächsführung selbst in die Hand zu nehmen, bevor der Mann unter den Folgen einer körperlichen Überbeanspruchung zu Boden gehen kann. Er schlendert hinüber zu dem Tisch, an dem Doktor zu Hülshoff wohl noch bis vor Kurzem gearbeitet hatte, und setzt sich. Er zieht einen weiteren Stuhl heran und macht eine einladende Geste.
    «Nehmen Sie doch bitte Platz, Herr Doktor zu Hülshoff. Dann ist es nicht so ungemütlich.» Er klopft auf die Sitzfläche.
    Es dauert allerdings noch einen Moment, bis der Mann vorsichtig die Arme senkt und sich schließlich zögernd auf den angebotenen Platz fallen lässt, allerdings nicht ohne seine Hosen an den Bügelfalten zu packen und geziert nach oben zu ziehen.
    «Sie sitzen auf meinem Stuhl», sagt er schließlich. «Wenn es Ihnen nichts ausmacht …»
    «Aber ich bitte Sie, Herr Doktor, entschuldigen Sie vielmals.» Carsten erhebt sich, und wie ein Frosch, der eine fette Fliege gesehen hat, springt Doktor zu Hülshoff auf seinen Stuhl. Die ungesunde Sitzhaltung lässt auf viele verpasste sportliche Gelegenheiten schließen. Carsten wartet ab, bis der Doktor sein Beinkleid erneut gerichtet hat, dann zaubert er ein gewinnendes Lächeln auf sein Gesicht und beginnt mit der Arbeit.
    «Sie werden sich sicher fragen, warum wir hier so unverhofft und zu später Stunde hereingeplatzt sind, lieber Herr Doktor zu Hülshoff. Nun ja, was soll ich sagen. Wissen Sie, ich bin ein alter Freund Ihres Chefs, Professor Hellström, und der war so freundlich, mir seine Hilfe bei einem kleinen medizinischen Problem meiner Frau anzubieten. Und da wir nicht während der regulären Forschungsarbeit stören wollten, sind wir sozusagen nach Ladenschluss vorbeigekommen.»
    Doktor zu Hülshoff hat seine Contenance zurückgewonnen. Er runzelt die Stirn und schlägt fahrig die Beine übereinander. Carsten erhascht einen Blick auf weiße Wildlederschuhe mit Kreppsohle. Am Oberschuh baumeln kleine Quasten.
    «Herr, äh …»
    «Meyer. – Jürgen Meyer. – Nebst Gattin versteht sich.» Carsten dreht sich um und bedeutet Erkan, Mandy zu holen, dann wendet er die Aufmerksamkeit wieder seinem Gegenüber zu.
    «Herr … Meyer. Ihre Bekanntschaft mit meinem … äh … Chef , wie sie sagen, in allen Ehren, aber wir sind eine Forschungseinrichtung. Eine sehr exklusive Forschungseinrichtung mit einem sehr speziellen Forschungsgegenstand, ich meine, ich … äh … würde Ihnen beziehungsweise Ihrer Frau ja helfen, glaube aber …»
    «Oh, ich bin über den Gegenstand Ihrer Forschungen bestens im Bilde. Genau das ist ja der Grund unseres Besuches. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass nur Sie – und Professor Hellström natürlich – in der Lage sind, meine Frau zu behandeln. Allein Sie und er.»
    In diesem Moment fällt der Blick von Doktor zu Hülshoff auf Mandy, die von Erkan gerade schwungvoll in Raum gerollt wird. Mandys Augen sind offen, trotzdem scheint sie ihre Umgebung nicht wahrzunehmen.
    «Gott der Gerechte !», ist alles was der Genforscher über die Lippen bringt.

lxxvii In der Kuppel
    Zischend fährt die Schleuse in die Wand, eine unsichtbare Pumpe nimmt heulend ihre Arbeit auf, dann wird es wieder still. Zitternd steckt Carsten seine Hände in die Außentaschen seiner Jacke, denn hier unten ist es kalt wie im Herzen einer Puffmutter. Erstaunlicherweise hat der Wunderdoktor kein weiteres Wort des Widerstandes mehr geäußert. Brav wie eine Grundschullehrerin hat er sich den Rollstuhl mit Mandy gegriffen und ist davon gerollt, ohne auch nur zurückzublicken.
    Das Innere der Kuppel ist ein Märchenland aus Eis und Hochtechnologie. Riesige, wie organisch gewachsen wirkende Schränke aus schimmerndem Metall ragen wie Stalagmiten sich nach oben verjüngend in die Höhe, zusammengehalten durch Wülste gefrorener Flüssigkeiten unterschiedlicher Farbe und Oberflächenkonsistenz. Unter dem Zenit der großen Kuppel steht ein gewaltiger, runder, schwarz glänzender Monolith, aus dem drei gläserne Tortenscheiben mit einer Schenkellänge von mindestens fünfzehn Metern ragen, von ihrem gedachten Schnittpunkt führt eine transparente Röhre nach oben und verbreitert sich in fünfundzwanzig Metern Höhe zu einem furiosen Schirm, aus dessen gedachten Speichen sich weitere Röhren und unterschiedlich dicke Kabel zu den Metallschränken ranken. In einigen Nischen haben sich Schneehaufen aufgeworfen, kleine glitzernde Wirbel taumeln durch die Luft. Es knirscht und knackt unablässig, ein

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