Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
jemand.»
«Das will ich hoffen, ich wüsste nämlich nicht, wie ich sonst finden sollte, was ich suche.»
«Was suchst du denn?»
«Geht dich nichts an!»
«Habe ich gesagt, ich wüsste, wo es zu den Laboren geht? Komisch – muss ich gerade vergessen haben.»
Carsten überlegt, ob jetzt nicht der richtige Moment ist, um die neue Bleipuste zu testen. Andererseits ist er ein bisschen aus der Übung, Jahrzehnte, um genau zu sein, und er hat berechtigte Zweifel, ob er überhaupt den Sicherungshebel finden würde. Im Grunde weiß er nicht einmal, ob es einen Sicherungshebel gibt, und ob die Waffe geladen ist. Zu allem Überfluss war Erkan Ederim in den letzten Stunden eine gewisse Stütze. Außerdem: Schlimmer kann es nicht mehr werden.
«Na gut, aber nur, wenn du es für dich behältst!»
lxxv Jenseits von Münster
Im ambulanten organisatorischen Zentrum der Terroristen herrscht alles andere als eitel Sonnenschein. Die drei Anwesenden haben gerade eine Gesprächspause eingelegt, damit sich die aufgeschäumten Emotionen legen und einer erneuten sachlichen Diskussion Raum geben können. Als Mitglieder des Führungsquartetts der Sprengmeister sind sie in bodenlange weite Umhänge in dunklen Farben gehüllt, auf dem Kopf tragen sie eine Art Imkerhut, von dem ein blickdichter Schleier bis auf die Schultern fällt, der alles verbirgt, was Rückschlüsse auf physiognomische Beschaffenheit, Alter und Geschlecht zulassen könnte. Die Stimmen werden von phonetischen Verzerrern bis zur Unkenntlichkeit entstellt.
«Und seit wann ist Heffter verschwunden?»
«Seit gut drei Tagen.»
«Ist er nur getürmt oder hat ihn jemand festgesetzt?»
«Auch das ist nicht in Gänze aufgeklärt worden. Weder wissen wir, ob er sich aus dem Staub gemacht hat – was ich mir allerdings nicht vorstellen kann –, noch, ob er einkassiert worden ist und wenn ja, von wem.»
«Ich würde mal auf Grothues und seine schwarzen Tausendsassas tippen. Die haben doch neulich die Razzia bei Life-Aid gemacht. Vielleicht ist er dabei umgedreht worden.»
«Der und umgedreht? Nie im Leben. Ich kenne Heffter. Das ist ein ewig Aufrechter. Geradezu peinlich aufrecht. Wenn Grothues den gekriegt hätte, wäre die Sache mit unserem angeblichen Camp nie gelaufen.»
Es wird einen Augenblick still. Nach dem abgehackten Dauerknurren der Verzerrer ist es ein Labsal für die Ohren.
«Mich würde einmal interessieren, warum die Sache mit dem Camp überhaupt laufen musste. Kann mir das mal jemand erklären?»
«Nein.»
«Was heißt hier nein? Bin ich nicht vertrauenswürdig, oder was?»
«Das hat nichts mit Vertrauenswürdigkeit zu tun. Je weniger jeder von den Aktivitäten der anderen weiß, desto besser.»
«Das sehe ich anders.»
«Lasst uns bitte nicht wieder von vorn anfangen. Die Aktion war notwendig und Schluss.»
Eine weitere Pause gibt den Gemütern Gelegenheit sich zu beruhigen.
«Lasst uns die Situation doch einfach mal realistisch betrachten. Was haben wir erreicht? Bisher nichts! Und doch eine ganze Menge. Zunächst einmal haben wir diese verlogene Brut aus den Federn gejagt. Ein Anschlag nach dem anderen und alle ins Ziel. Wir haben unsere Botschaft platziert und es gibt uns noch.»
«Wir haben unsere Botschaft platziert? Das würde voraussetzen, dass jemand unsere Botschaft verstanden hat. Und da bin ich mir nicht so sicher.»
«Die Ordnungskräfte haben nichts kapiert. Sollen sie ja auch nicht. Aber ich bin sicher, dass die Drahtzieher kapiert haben, dass sie gemeint sind.»
« Wenn die Botschaft sie erreicht hat.»
«Dann sollten wir unsere Forderungen konkretisieren. Jetzt und gleich.»
«Dafür ist es noch zu früh. Erst muss der Handlungsspielraum weiter eingeengt werden.»
«Wie denn? Mit so einer Nullnummer wie dem Anschlag auf Hohe Wards Spring-Break-Party vielleicht? Die Gans, die goldene Eier legen soll, einfach in die Luft blasen? Wer ist eigentlich auf diesen Schwachsinn gekommen? Mit mir war das jedenfalls nicht abgesprochen.»
«Immer schön ruhig bleiben! Ist ja nichts passiert. Ich gebe zu, dass wir gewisse Koordinationsprobleme haben. Immerhin hat mir auch keiner von der Sache mit dem angeblichen Terrorcamp erzählt.»
Der Hinweis trifft ins Schwarze und provoziert eine weitere Denkminute. Das Prinzip der unabhängig voneinander agierenden Zellen hat unbestreitbar auch seine Nachteile.
«Bei einer Sache sollten wir uns einig sein. Wir müssen unsere Aktionen besser koordinieren. Immerhin wissen wir jetzt, dass es um
Weitere Kostenlose Bücher