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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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versucht. Geht nicht ran.»
    Freiherr von der Hohen Ward hat die Unterhaltung mit Ungeduld verfolgt, jetzt mischt er sich wieder ein.
    «Lieber Herr Professor, Ihr kleines Problem in allen Ehren. Ich weiß, wie schwer es ist, gute Mitarbeiter zu finden und zu halten. Ich bin sicher, dass Sie morgen die Gelegenheit finden werden, den kleinen Streit zwischen Ihrem Mann und den Wachleuten zu schlichten. Ich mache mir momentan eher Sorgen um Theising.»
    Elias Grothues hat währenddessen einige Ausrüstungsgegenstände auf dem Tisch verteilt, einige Kleinigkeiten umgepackt und wieder verstaut. Er zieht einen mattschwarzen Zylinder aus der ausladenden Koppeltasche und beginnt, ihn seelenruhig auf seine Pistole zu schrauben. Er tauscht das Magazin gegen ein anderes und lässt alles wieder verschwinden.
    «Ich verstehe Ihre Sorge um Theising, Herr von der Hohen Ward, nur können wir in seinem Fall wenig tun – nicht bevor wir weitere Erkenntnisse gewonnen haben.» Er wendet sich an den Professor. «Nach Ihrem Mitarbeiter sollten wir trotzdem schauen, wenn wir doch schon mal hier sind. Dauert sicher nicht lange.»

lxxix Log-in
    Vorsichtig heben Carsten und Erkan Ederim den schlaffen Körper auf einen der beiden ausladenden Behandlungsplätze, die auf schimmernden Schienen in der Mitte der Torte stehen. In seinem schwarzen Wachmann-Outfit wirkt Ederim ebenso deplatziert wie Carsten in seinen alten Armeeklamotten inmitten dieser pastellfarbenen Welt der Apparatemedizin und ihrer Jünger. Mandy ist bis auf einen Slip in jungfräulichem Weiß nackt, bläulich scheinen Adern durch ihre blasse Haut, die Muskelmasse ist erheblich zurückgegangen, sodass sie aussieht wie ein magersüchtiges Model für Seniorenmode. Der Atem ist kaum spürbar, sie könnte schon gestorben sein, zumindest ist sie kurz davor. Carsten legt Mandys rechten Arm vorsichtig in die dafür vorgesehene Vertiefung und verharrt in dieser Stellung. Mandy, seine große und wahrscheinlich letzte Liebe, da muss man sich nichts vormachen. Selbst wenn die Therapie ganz oder in Teilen Erfolg hat, sind sie noch lange nicht hier raus. Aber so weit hat Carsten, wie er sich eingestehen muss, auch nicht gedacht. Eigentlich ging es nur darum, nicht herumzusitzen und hilflos auf das unausweichliche Ende zu warten. Nicht einfach im Schmerz wegzudämmern, sondern mit einem Knall abzutreten. Big better Bang. Vorsichtig streicht er Mandy die Locken aus dem Gesicht, kleine grauweiße Wirbel, noch durchzogen von der Ursprungsfarbe Braun. Carsten hätte gern gewusst, wie sie ausgesehen hat, als sie mitten im Leben stand, dynamisch und vor Saft strotzend, als Teenager auf dem Abiball, strahlend wie der junge Morgen. Jetzt liegt sie hier, sein spätes Schneewittchen, in einem großen gläsernen Sarg, aber er ist kein Prinz mit flammendem Schwert, sondern nur ein alter Zwerg. Kein Drachentöter, nur ein müder Gärtner.
    «Dürfte ich bitte mal meine Arbeit machen!» Doktor zu Hülshoffs Quengelstimme weckt Carsten aus seinem depressiven Schub. «Wenn Sie schon nichts tun, dann stehen Sie wenigstens nicht im Weg !»
    Carsten schüttelt sich kurz, greift nach hinten und bringt seinen zottigen, grauen Pferdeschwanz in Ordnung.
    «Was kann ich denn tun?»
    «Nichts. Bleiben Sie mir einfach vom Leib .»
    Die Laune von Doktor zu Hülshoff ist nicht besser geworden. Auch die Ohrfeige, die Carsten sich nicht verkneifen konnte, und deren Folgen die rechte Gesichtshälfte des Forschers noch immer in mildes Rot tauchen, hat nicht dazu beitragen können. Immerhin hat der Doktor – im Gegensatz zu dem Fon, das jetzt atomisiert einige Quadratmeter Boden bedeckt – keinen ernsteren Schaden genommen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden, denkt Carsten, während er widerwillig ein paar Schritte zurückweicht. Bedingt durch die armdicke Mehrfachverglasung dringt nur ein Teil der Außenbeleuchtung in die Labortorte. Draußen ist Zwielicht, durchbrochen nur von den Blitzen aus dem Lichtgewitter in der Kuppel über ihnen. Genauso gut könnten sie in einem gläsernen Raumschiff durch den Pferdekopfnebel schweben. Zu weit entfernt von der Erde, um zurückkehren zu können.
    Doktor zu Hülshoffs professioneller Habitus hingegen ist von all dem nicht angekratzt. Er hat Mandy mithilfe unterschiedlicher Schließen und Bänder auf dem Behandlungsmöbel fixiert. Überall auf dem Körper der Patientin kleben bunte Elektroden, Kabel verlaufen zu mehreren Terminals im Stuhl, einige führen hinunter zu einer

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