Die Springflut: Roman (German Edition)
Mann vor ihrer Tür vorbeischob. Sie trat zur Seite und machte eine einladende Geste. Stilton kam herein, und Olivia zog die Tür zu.
»Keine Übereinstimmung?«
»Nein.«
Olivia ging in die Küche. Stilton folgte ihr, ohne den Mantel auszuziehen.
»Das Haar stammte also nicht vom Opfer?«
»Nein.«
»Dann könnte es natürlich von einem der Täter stammen.«
»Wäre möglich.«
»Jackie Berglund«, schlug Olivia vor.
»Hören Sie auf damit.«
»Aber warum denn nicht? Warum soll es nicht ihr Haar sein können? Sie hat dunkle Haare, befand sich zum Zeitpunkt des Mordes auf der Insel und hatte eine sehr faule Ausrede dafür, warum sie kurz danach von dort abgehauen ist. Stimmt’s?«
»Ich gehe mal duschen«, entgegnete Stilton.
Olivia wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, und zeigte deshalb nur stumm auf die Badezimmertür. Als er dahinter verschwand, war sie immer noch sprachlos. Bei jemandem zu duschen war für manche Menschen etwas ziemlich Intimes, für andere spielte es offenbar keine Rolle. Olivia brauchte eine ganze Weile, bis sie sich an den Gedanken gewöhnt hatte, dass Stilton sich jetzt in ihrem Badezimmer aufhielt und wusch.
Dann war sie mit ihren düsteren Gedanken wieder bei Jackie Berglund.
»Vergessen Sie Jackie Berglund«, sagte Stilton.
»Und warum?«
Er hatte eine lange, kühle Dusche genommen, über Olivias Fixierung auf Jackie Berglund nachgedacht und beschlossen, sie in gewisse Dinge einzuweihen. Olivia hatte sich angezogen und bot ihm am Küchentisch einen Kaffee an.
»Es war so«, setzte er an, »2005 wurde eine junge, schwangere Frau namens Jill Engberg ermordet und der Fall mir übertragen.«
»Das weiß ich schon.«
»Ich will nur vorne anfangen. Jill war Escortgirl. Wir fanden ziemlich schnell heraus, dass sie für Jackie Berglunds Red Velvet gearbeitet hatte. Gewisse Umstände des Mordes ließen uns glauben, dass einer von Jackies Kunden der Mörder sein könnte. Ich habe diese Spur ziemlich hartnäckig verfolgt, aber dann war Schluss.«
»Was heißt das?«
»Es sind ein paar Dinge passiert.«
»Was denn?«
Stilton verstummte, und Olivia wartete.
»Was ist passiert?«, fragte sie schließlich.
»Im Grunde sind mehrere Dinge gleichzeitig geschehen, ich bin durchgedreht, habe unter anderem eine Psychose bekommen und bin eine Weile krankgeschrieben worden. Als ich zurückkam, hatte man mir die Zuständigkeit für den Fall entzogen.«
»Warum?«
»Ofiziell hieß es, ich sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in der Verfassung, eine Mordermittlung zu leiten, was sicher nicht ganz falsch war.«
»Und inoffiziell?«
»Gab es Personen, die mich, glaube ich, von dem Fall abziehen wollten.«
»Weil?«
»Weil ich Jackie Berglunds Escortservice etwas zu sehr auf die Pelle gerückt bin.«
»Sie meinen, ihren Kunden?«
»Ja.«
»Wer hat den Fall übernommen?«
»Rune Forss. Ein Polizist, der …«
»Ich weiß, wer das ist, aber er hat den Mord an Jill nicht aufgeklärt. Das habe ich gelesen, als ich …«
»Nein, er hat ihn nicht aufgeklärt.«
»Aber Sie müssen doch das Gleiche gedacht haben wie ich, als Sie an dem Fall Jill gearbeitet haben?«
»Dass es gewisse Ähnlichkeiten zu Nordkoster gibt?«
»Ja.«
»Sicher, das stimmt … Jill war schwanger«, fuhr Stilton fort, »genau wie das Opfer am Ufer, und Jackie Berglund taucht in beiden Ermittlungen auf. War das Opfer also auch ein Escortgirl? Wir wussten doch nicht das Geringste über sie. Also ist mir der Gedanke gekommen, dass es da eventuell einen Zusammenhang geben und es sich um denselben Täter mit demselben Motiv handeln könnte.«
»Was sollte das sein?«
»Eine Prostituierte zu ermorden, die ihn auf Grund ihrer Schwangerschaft erpresst hat. Deshalb entnahmen wir von Jills Fötus eine DNA -Probe und verglichen sie mit der DNA des Kindes vom Ufermord, aber es gab keine Übereinstimmung.«
»Das schließt aber nicht aus, dass Jackie Berglund in die Sache verwickelt ist.«
»Nein, und eine Zeitlang habe ich deshalb auch mit einer Hypothese gearbeitet, die sie betraf. Immerhin ist sie dort zusammen mit zwei Norwegern auf einer Yacht gewesen, und ich dachte, dass sie vielleicht ursprünglich zu viert waren und das Opfer die vierte Person war und es dann irgendwie Streit zwischen ihnen gab und drei von ihnen die vierte ermordeten.«
»Aber?«
»Es ist nichts dabei herausgekommen, es konnte niemandem nachgewiesen werden, dass er oder sie am Tatort gewesen war oder etwas mit dem Opfer zu tun
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