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Die Springflut: Roman (German Edition)

Die Springflut: Roman (German Edition)

Titel: Die Springflut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cilla Börjlind , Rolf Börjlind
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Moment auch nicht viel. Ihr Gesicht war vor lauter Sorgen und weggewischter Tränen zerquält.
    Acke war verschwunden.
    »Was heißt das?«
    »Als ich nach Hause gekommen bin, war er nicht in der Wohnung. Ich habe diese Nacht nicht so lange gemacht wie sonst, und dann ist er nicht in seinem Bett. Er war nirgendwo. Er hat gar nicht im Bett gelegen, und das Essen stand auch noch im Kühlschrank, als wäre er überhaupt nicht zu Hause gewesen!«
    »Ich habe mich gestern mit ihm getroffen.«
    »Hast du?«
    »Ich bin mit ihm in dieser Kebabbude im Einkaufszentrum gewesen, und da ist er wie immer gewesen. Dann ist er gegangen, und ich bin in die Stadt. Und im Hort ist er auch nicht?«
    »Nein. Da habe ich angerufen. Was macht er denn nur?!«
    Der Nerz hatte natürlich keine Ahnung, spürte aber, dass Ovette kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand. Er legte einen Arm um ihre Schultern. Sie war mindestens einen Kopf größer als er, so dass die Bewegung etwas unnatürlich wirkte.
    »So etwas kommt schon mal vor, er ist bestimmt … er macht bestimmt irgendetwas.«
    »Aber ich muss die ganze Zeit daran denken, was du mir erzählt hast, was ist, wenn er deshalb nicht zu Hause ist?«
    »Du meinst diese Prügeleien?«
    »Ja!«
    »Das glaube ich nicht, ich bin mir ziemlich sicher, dass er da nicht mehr mitmacht.«
    »Woher willst du das wissen?!«
    »Das spielt keine Rolle, aber wenn du dir wirklich solche Sorgen machst, dann ruf die Bullen an.«
    »Die Bullen?«
    »Ja.«
    Der Nerz wusste, was Ovette dachte. Eine heruntergekommene Hure würde man nicht gerade bevorzugt behandeln. Aber vielleicht konnte die Polizei ihr ja trotzdem helfen. Dafür war sie doch da. Sie blieben stehen.
    »Ich kann mich ja ein bisschen umhören«, sagte der Nerz.
    »Danke.«
    *
    Der Regen trommelte auf die schmutzige Plexiglaswölbung in der Decke herab. Stilton saß auf seiner Pritsche und salbte die Wunden auf seiner Brust mit Veras Harz ein. Das Glas war fast leer, und ein neues würde es nicht geben. Vera und ihre Großmutter lebten nicht mehr. Er warf einen Blick auf ein kleines Foto von Vera, das im Regal stand. Er hatte darum gebeten, eine Kopie ihres Verkäuferausweises mit ihrem Bild zu bekommen. Er dachte oft an sie. Als sie noch lebte, hatte er das nie getan. Damals hatte er an ganz andere Menschen gedacht, die ihm etwas bedeutet hatten, bis er sie aufgegeben hatte. Abbas, Mårten und Mette. Am Ende waren es immer diese drei gewesen. Ab und zu war Marianne vorbeigehuscht. Aber die Gedanken an sie waren zu groß, zu schmerzhaft, zu traurig und kosteten ihn zu viel von seiner wenigen Kraft.
    Er schaute in das Glas, es war kaum noch etwas übrig. Dann klopfte es an der Tür. Stilton rieb sich weiter ein, im Moment hatte er keine Lust auf Besuch. Das änderte sich jedoch zwei Sekunden später, als das Gesicht seiner Exfrau im Fenster des Wohnwagens auftauchte. Ihre Blicke begegneten sich ziemlich lange.
    »Komm rein.«
    Marianne öffnete die Tür und schaute in den Wohnwagen hinein. Sie trug einen schlicht geschnittenen, hellgrünen Sommermantel und hielt einen Schirm in der Hand. In der anderen trug sie eine graue Aktentasche.
    »Hallo, Tom.«
    »Wie hast du hergefunden?«
    »Rönning. Darf man reinkommen?«
    Stilton machte eine einladende Geste, und Marianne trat ein. Er hatte die notdürftig weggewischten Blutflecken auf dem Fußboden mit Zeitungen abgedeckt, hoffte, dass in diesem Moment keine seltsamen Insekten herumkrabbelten, stellte das Glas mit Wundharz weg und zeigte auf die gegenüberliegende Pritsche.
    Ihm war nicht ganz wohl bei der Sache.
    Marianne schloss den Regenschirm und sah sich um. Wohnte er wirklich so unglaublich schäbig? War das vorstellbar? Sie beherrschte sich und sah zum Fenster.
    »Hübsche Vorhänge.«
    »Findest du?«
    »Ja … nein.«
    Marianne lächelte, schob ihren Mantel ein wenig hoch, setzte sich und schaute sich noch einmal um.
    »Ist das dein Wohnwagen?«
    »Nein.«
    »Nicht … nein, ich sehe …«
    Marianne nickte zu einem von Veras Kleidern, das neben dem rostigen Gaskocher hing.
    »Gehört der Wagen ihr?«
    »Ja.«
    »Ist sie nett?«
    »Sie ist ermordet worden. Wie ist es gelaufen?«
    Um nicht reden zu müssen, kam er wie üblich sofort zur Sache. Es war immer das Gleiche. Dennoch wirkte er konzentriert. In seinen Augen sah sie Ansätze seines alten Blicks. Damit hatte er sie stets tief berührt, früher.
    »Die DNA stimmt überein.«
    »Wirklich?«
    »Das Haar aus der Haarspange und die Haarsträhne

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