Die Springflut: Roman (German Edition)
stammen von derselben Frau. Wer ist sie?«
»Jackie Berglund.«
»Die Jackie Berglund?!«
»Ja.«
Als Stilton 2005 die Ermittlungen im Mordfall Jill Engberg übernommen und dabei ihre Arbeitgeberin Jackie Berglund aufs Korn genommen hatte, waren er und Marianne noch verheiratet gewesen. Er hatte daheim, in der Küche, im Badezimmer, im Bett diverse Hypothesen zu Jackie Berglund durchgespielt, ehe er seine erste Psychose erlitt und in der Psychiatrie gelandet war. Die Psychose hatte nichts mit seiner Arbeit zu tun gehabt, auch wenn sein hohes Arbeitspensum sicher eine Voraussetzung dafür gewesen war. Marianne wusste genau, was seine Psychose ausgelöst hatte, und vermutlich war sie die Einzige. Sie hatte mit ihm gelitten. Dann war ihm der Fall entzogen worden, und ein halbes Jahr später hatten sie sich getrennt.
Es passierte nicht über Nacht, es war kein überstürzter Entschluss, sondern eine Folge von Toms mentalem Zustand gewesen. Er hatte sich ganz bewusst immer mehr von ihr distanziert, ihre Hilfe nicht gewollt und auch nicht gewollt, dass sie ihn ansah oder anfasste. Am Ende hatte er sein Ziel erreicht. Marianne hatte nicht mehr die Kraft gehabt, jemanden zu stützen, der nicht gestützt werden wollte.
Deshalb waren sie getrennte Wege gegangen.
Und er in einem Wohnwagen gelandet.
Und nun saß er hier.
»Das heißt also, dass Jackie Berglund am Abend des Mordes höchstwahrscheinlich am Ufer war …«, sagte Stilton halb zu sich selbst.
Das hatte sie in den Vernehmungen entschieden geleugnet.
Er versuchte, diese verblüffende Information zu verdauen.
»Sieht ganz so aus«, bestätigte Marianne.
»Olivia«, murmelte Stilton leise.
»Hat sie das Ganze angeleiert?«
»Ja.«
»Und was macht ihr jetzt damit?«
»Keine Ahnung.«
»Du kannst ja wohl kaum selbst an dem Fall arbeiten, oder?«
Und warum nicht, dachte er im ersten Moment leicht aggressiv, bis er sah, wie Marianne verstohlene Blicke auf das Glas mit der seltsamen Schmiere und die zwei Exemplare von Situation Stockholm auf dem Tisch und dann wieder auf ihn warf.
»Nein«, antwortete er. »Wir werden uns wohl von Mette helfen lassen müssen.«
»Wie geht es ihr?«
»Gut.«
»Und Mårten?«
»Gut.«
Jetzt sind wir wieder an dem Punkt, dachte Marianne. Verschlossen und halb verstummt.
»Wie kommt es, dass du mich hier besuchst?«, fragte Stilton.
»Ich halte eine Vorlesung im Präsidium.«
»Aha.«
»Bist du geschlagen worden?«
»Ja.«
Stilton hoffte inständig, dass Marianne sich keine Handyfilme auf Trashkick ansah. Das Risiko, dass sie ihn erkennen würde, wie er auf Vera lag, war recht groß.
Das wollte er nicht.
»Danke, dass du mir geholfen hast«, sagte er.
»Bitte.«
Es wurde still. Stilton sah Marianne an, und sie wich seinem Blick nicht aus. Die ganze Situation war unendlich traurig, das spürten sie beide. Sie wusste, wer er gewesen war, und dieser Mensch existierte nicht mehr. Das war auch ihm bewusst.
Er war ein anderer.
»Du bist sehr schön, Marianne, das weißt du.«
»Danke.«
»Geht es dir gut?«
»Ja. Und dir?«
»Nein.«
Das hätte sie ihn im Grunde nicht fragen müssen. Sie streckte eine Hand über die Sperrholztischplatte und legte sie auf Stiltons geäderten Handrücken.
Er ließ zu, dass sie dort liegen blieb.
Als Marianne den Wohnwagen verlassen hatte, rief Stilton Olivia an und erzählte ihr von Abbas’ Anruf. Sie reagierte wie erwartet überrascht.
»Adelita Rivera?«
»Ja.«
»Aus Mexiko?«
»Ja.«
»Und Nils Wendt war der Vater des Kindes?!«
»Sagt Abbas. Wir werden wohl mehr erfahren, wenn er zurück ist.«
»Unglaublich! Nicht wahr?«
»Ja.«
In vielerlei Hinsicht, dachte Stilton und erzählte Olivia anschließend von der Übereinstimmung der beiden DNA -Proben, worauf sie wenn möglich noch heftiger reagierte.
»Jackie Berglunds?!«
»Ja.«
Als sie sich ein wenig beruhigt hatte und meinte, dass sie damit vielleicht den Mord auf Nordkoster aufgeklärt hätten, musste Stilton sie darauf hinweisen, dass die Spange zu einem ganz anderen Zeitpunkt als der Tatzeit an dem Ufer gelandet sein konnte. Zum Beispiel tagsüber. Ove Gardman hatte nicht gesehen, wie Jackie Berglund sie verloren hatte.
»Müssen Sie eigentlich immer so negativ sein!«
»Im Gegenteil, wenn Sie eine gute Polizistin werden wollen, müssen Sie lernen, sich niemals auf etwas zu versteifen, wenn es auch noch andere Möglichkeiten gibt, sonst fällt Ihnen das im Gericht wie ein Bumerang wieder vor die
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