Die Springflut: Roman (German Edition)
tiefer vor und löste sich in seinem Unterbewusstsein auf, bis Feuer, Rauch und Frauenschreie durch sein umnebeltes Gehirn zogen. Erst als er sich aufsetzte, sah er die Flammen.
Hohe, gelblich blaue Flammen leckten außen an dem Wohnwagen. Schwerer, ätzender Rauch drang in ihn ein. Stilton geriet in Panik. Mit einem angsterfüllten Schrei sprang er von seiner Pritsche auf und schlug mit dem Kopf gegen einen Schrank. Er stürzte zu Boden, rappelte sich wieder auf und warf sich gegen die Tür, aber sie ging nicht auf.
Er schrie und warf sich noch einmal gegen die Tür.
Sie ging nicht auf.
Einige Meter entfernt standen die beiden dunklen Gestalten und betrachteten den Wohnwagen. Das dicke Brett unter der Klinke hielt. Die Tür war blockiert. Außerdem hatten sie rund um den Wohnwagen reichlich Benzin ausgegossen. Das Feuer verbiss sich regelrecht in den Wänden.
Bei einem normalen Wohnwagen dauerte es eine ganze Weile, bis das Plastik anfing zu schmelzen, aber ein Wagen wie Veras verwandelte sich binnen weniger Sekunden in ein flammendes Inferno.
Als der ganze Wagen von brüllenden Flammen umhüllt war, wandten die Gestalten sich ab und liefen durch den Wald davon.
*
Abbas el Fassi verließ durch die enge Türöffnung das Flugzeug. Er war müde, und sein Hinterkopf tat nach dem Schlag darauf immer noch weh. Außerdem hatte er wieder eine schlimme Flugreise mehr in den Knochen.
Ein ziemlich heftiger Schweißausbruch, ausgelöst von zwei überraschenden Luftlöchern über Dänemark, hatte ihn gezwungen, sein Beweismaterial unter dem Hemd hervorzuholen und in eine blaue Plastiktüte zu stecken, die er jetzt in der Hand trug. Ansonsten hatte er auch auf seinem Rückflug kein Gepäck dabei.
Er war niemand, der Souvenirs kaufte.
Die Messer hatte er zwei kleinen Jungen in Mal Pais geschenkt.
Auf dem Weg durch die Fluggastbrücke zog er sein Handy heraus und rief Stilton an, der sich jedoch nicht meldete.
Als er aus der Brücke trat, wurde er bereits von Lisa Hedqvist und Bosse Thyrén erwartet. Gemeinsam gingen sie Richtung Ankunftshalle. Lisa und Abbas zogen ihre Handys heraus, und Lisa rief Mette an, um ihr mitzuteilen, dass alles in Ordnung war.
»Wohin sollen wir fahren?«
Mette dachte kurz nach. Sie wollte, dass Stilton dabei war, wenn Abbas sein Material aus Costa Rica präsentierte. Nach dem, was Abbas bei seiner Zwischenlandung erzählt hatte, betrafen seine Informationen auch den Ufermord. Das Präsidium ist dafür nicht der richtige Ort, dachte sie.
»Fahrt ihn zu seiner Wohnung in der Dalagatan. Wir treffen uns vor dem Haus.«
Abbas telefonierte gleichzeitig mit Olivia.
»Wissen Sie, wo Stilton ist?«
»In seinem Wohnwagen?«
»Er meldet sich nicht.«
»Ach wirklich? Aber er muss da sein, ich habe eben noch mit ihm telefoniert, und da hat er gesagt, er sei dort. Er schien sehr müde zu sein, ich glaube, er wollte schlafen. Eigentlich sollte er das Handy anlassen, aber vielleicht ist er einfach zu müde, um dranzugehen.«
»Okay. Bis später.«
Abbas gelangte flankiert von Bosse Thyrén und Lisa Hedqvist in die Ankunftshalle, und sie gingen zum Ausgang. Keinem von ihnen fiel der Mann auf, der an einer Wand stand und dem Croupier aus dem Casino Cosmopol hinterhersah, der die Halle durchquerte. K. Sedovic zog sein Handy heraus.
»Ist er allein?«, fragte Bertil Magnuson.
»Nein. Er wird von einem Mann und einer Frau in Zivil begleitet.«
Bertil Magnuson verarbeitete diese Information. Waren das Leute, die er auf dem Flug kennengelernt hatte? Oder Arbeitskollegen? Oder waren es Polizeibeamte in Zivil?
»Folgen Sie ihnen.«
Olivia saß mit dem Handy in der Hand in ihrer Küche. Warum hatte Stilton sich nicht gemeldet, als Abbas ihn anrief? Er sollte sein Handy doch nicht ausschalten! Wenn er gesehen hätte, dass es Abbas war, hätte er sich mit Sicherheit gemeldet. Hatte er es also doch ausgeschaltet? Sie wählte seine Nummer, aber ohne Erfolg. Hatte er kein Geld mehr auf seiner Karte? Aber dann müsste er eigentlich trotzdem noch Anrufe empfangen können. In dem Punkt war sie sich allerdings nicht sicher.
Ihre Fantasie schlug Kapriolen.
War etwas passiert? War er wieder misshandelt worden? Oder steckte diese verdammte Jackie Berglund dahinter? Immerhin war Stilton bei ihrer Vernehmung dabei gewesen.
Sie sprang auf.
Als sie auf die Straße trat, war sie außer sich und traf eine Entscheidung.
Der Mustang!
Sie lief zum Parkplatz und blieb mit gemischten Gefühlen vor dem Auto stehen.
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