Die Springflut: Roman (German Edition)
einem Freund da war …«
»Alf Stein.«
»Ich weiß nicht, wie er hieß …«
»Aber Sie haben ihm ein Alibi für den Zeitpunkt des Mordes gegeben.«
»Was soll ich getan haben?«
»Sie haben behauptet, Sverker und sein Freund hätten Ihr Boot gestohlen und seien in der Nacht vor dem Mord verschwunden. Wir glauben aber, dass dies erst in der nächsten Nacht, der Nacht nach dem Mord, geschehen ist. War es nicht so?«
Eva Carlsén antwortete nicht. Mette sprach weiter.
»Alf Stein behauptet, Sie hätten ihm im Laufe der Jahre mehrmals Geld gegeben. Haben Sie das getan?«
»Nein.«
»Er lügt also.«
Eva Carlsén strich sich mit einem Arm über die Stirn. Sie würde nicht mehr lange durchhalten, das spürten Mette und Stilton. Plötzlich klopfte es an die Tür. Alle drehten sich um. Eine Polizistin öffnete und streckte ihnen eine grüne Plastikmappe entgegen. Stilton stand auf, holte sie und reichte sie Mette, die sie öffnete, das oberste Blatt überflog und sie wieder zuklappte.
»Was war das?«, fragte Eva Carlsén.
Mette antwortete nicht. Langsam lehnte sie sich in das Licht der Tischlampe.
»Eva Carlsén, haben Sie Adelita Rivera getötet?«
»Wer ist das?«
»Das ist die Frau, die man auf den vielen Fotos, die wir Ihnen gezeigt haben, mit Nils Wendt zusammen sieht. Sind Sie es gewesen?«
»Nein.«
»Dann machen wir weiter.«
Mette griff nach dem gefälschten Brief von Adelita.
»Dieser Brief wurde aus Schweden an Dan Nilsson in Costa Rica geschickt, Dan Nilsson war der Name, unter dem Nils Wendt dort lebte. Ich werde Ihnen das Schreiben vorlesen, es ist auf Spanisch, aber ich übersetze. ›Dan! Es tut mir leid, aber ich glaube nicht, dass wir füreinander bestimmt sind, und nun habe ich die Chance, ein neues Leben anzufangen. Ich kehre nicht zu dir zurück.‹ Der Brief ist handschriftlich unterzeichnet worden. Wissen Sie, wer ihn unterzeichnet hat?«
Eva Carlsén antwortete nicht. Sie schaute nicht einmal auf. Mette legte den Brief auf den Tisch. Stiltons Blick blieb auf Eva Carlsén gerichtet.
»Vor ein paar Tagen sind Sie zu Hause überfallen worden«, sagte Mette. »Unsere Kriminaltechniker haben auf dem Teppich in Ihrem Flur Blutspuren gesichert, um festzustellen, ob sie eventuell von den Tätern stammten. Aus diesem Grund mussten Sie eine DNA -Probe abgeben, die zeigte, dass es Ihr Blut war.«
»Ja.«
Mette öffnete die grüne Mappe, die sie gerade bekommen hatte.
»Wir haben eine DNA -Probe von dem Speichel der Person genommen, die eine Briefmarke auf diesen Brief von ›Adelita‹ geklebt hat, und sie mit Ihrer verglichen. Die beiden Proben stimmen überein. Sie haben an der Briefmarke geleckt. Haben Sie auch den Brief geschrieben?«
In jedem Menschen gibt es einen Punkt, hinter dem der Abgrund gähnt. Wird man unter Druck gesetzt, erreicht man ihn früher oder später. Jetzt war Eva Carlsén zu diesem Punkt vor dem Abgrund gekommen. Es dauerte einige Sekunden, fast eine Minute, dann sagte sie leise:
»Können wir bitte eine Pause machen?«
»Gleich. Haben Sie diesen Brief geschrieben?«
»Ja.«
Stilton lehnte sich zurück. Es war vorbei. Mette beugte sich zum Aufnahmegerät vor.
»Wir machen eine kurze Pause.«
*
Forss und Klinga hatten Liam und Isse zwei Stunden lang vernommen. Beide waren im Vorort Hallonbergen aufgewachsen. Klinga hatte Liam übernommen. Er wusste in etwa, was er zu hören bekommen würde. Vor dem Verhör hatte er herausgesucht, was sie in ihren Unterlagen zu Liam hatten. Schon als Jugendlicher hatte er einiges auf dem Kerbholz gehabt. Als Liam am Ende davon erzählte, wie sein Vater der großen Schwester immer dabei geholfen hatte, sich am Küchentisch einen Schuss zu setzen, hatte Klinga ein klares Bild vor Augen.
Gedemütigte Kinder. Hatte die Frau im Fernsehen sie nicht so genannt?
Liam war ein ungeheuer gedemütigtes Kind.
Forss hatte zu Isse ein ähnliches soziales Umfeld ermittelt. Ursprünglich stammte er aus Äthiopien und war einfach so im Stich gelassen worden, noch ehe er in den Stimmbruch gekommen war. Gedemütigt und verletzt. Voller aufgestauter Aggressionen.
Jetzt ging es in den Fragen um die Kämpfe.
Es dauerte eine Weile, bis sie aus den beiden herausgeholt hatten, was sie wussten, aber am Ende nannten sie die Namen anderer junger Männer, die mitmachten und alles organisierten, aber vor allem: Wann und wo die nächsten Kämpfe stattfinden sollten.
In einer alten, stillgelegten Zementfabrik außerhalb der Stadt, zu der nur
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