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Die Springflut: Roman (German Edition)

Die Springflut: Roman (German Edition)

Titel: Die Springflut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cilla Börjlind , Rolf Börjlind
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schaute dem Pferdeschwanz hinterher.
    »Der Nerz«, antwortete Jelle.
    »Der Nerz? Wer ist das?«
    »Ein Typ von früher.«
    »Obdachlos?«
    »Nein, soweit ich weiß jedenfalls nicht. Er hat eine Bude in Kärrtorp.«
    »Kannst du da nicht pennen?«
    »Nein.«
    Jelle hatte nicht vor, beim Nerz zu pennen. Ihr kurzer Wortwechsel hatte in etwa ausgedrückt, wie nahe sie sich heute standen.
    Jelle wusste genau, was als Nächstes kommen würde.
    »Du darfst gerne bei mir im Wohnwagen pennen«, sagte Vera.
    »Ich weiß. Danke.«
    »Aber das willst du nicht?«
    »Nein.«
    »Du pennst also lieber wo?«
    »Das wird sich schon ergeben.«
    Diesen Dialog hatten Vera und er in der letzten Zeit schon öfter geführt. Es ging darin nicht darum, in ihrem Wohnwagen zu schlafen oder nicht. Das wussten sie beide nur zu gut. Es ging um etwas, worauf Jelle nicht sonderlich erpicht war, und der einfachste Weg, Vera nicht zu sehr zu verletzen, bestand darin, das Angebot eines Schlafplatzes in ihrem Wohnwagen dankend abzulehnen.
    Auf die Art lehnte er auch das andere ab.
    Fürs Erste jedenfalls.
    *
    Olivia wälzte sich in der einsamen Hütte in ihrem Bett. Ihre Fieberträume kamen und gingen. Mal war sie am Ufer der Bucht, mal in Barcelona. Plötzlich spürte sie eine eiskalte Hand an der Bettkante über ihren nackten Fuß gleiten.
    Sie schoss hoch!
    Ihr Ellbogen kippte den kleinen Nachttisch um, und die Lampe fiel zu Boden. Sie warf sich gegen die Wand, und ihre Augen suchten die Hütte ab – da war nichts. Sie schob die Decke ein wenig fort. Ihr Herz raste, und sie atmete keuchend. Hatte sie das nur geträumt? Natürlich hatte sie geträumt, was sonst. Hier war ja sonst niemand.
    Sie setzte sich auf die Bettkante, hob die Nachttischlampe auf und versuchte, sich zu beruhigen. Ruhig atmen, hatte Maria ihr als Kind beigebracht, wenn sie mal schlecht geträumt hatte. Als sie sich den Schweiß von der Stirn wischte, hörte sie ein Geräusch vor ihrer Tür. Es klang wie eine Stimme.
    Axel?
    Olivia schlang die Decke um sich, ging zur Tür und öffnete sie – zwei Meter vor ihr stand ein Mann mit einem Trolley in der Hand. Der Mann aus der Bucht. Olivia knallte die Tür wieder zu, schloss ab, stürzte zum einzigen Fenster, zog das Rollo herunter und hielt gleichzeitig nach einem Gegenstand Ausschau, mit dem sie sich verteidigen könnte.
    Dann klopfte es an der Tür.
    Olivia erstarrte. Sie zitterte am ganzen Leib. Würde man es bis zu Axels Haus hören, wenn sie schrie? Wahrscheinlich nicht, der Wind brüllte lauter als sie.
    Es klopfte wieder.
    Olivia hyperventilierte und ging vorsichtig und ganz leise zur Tür.
    »Hallo, ich heiße Dan Nilsson, entschuldigen Sie bitte die Störung.«
    Die Stimme drang durch die Tür. Dan Nilsson?
    »Was ist los?! Was wollen Sie?!«, erwiderte Olivia.
    »Mein Handy hat hier keinen Empfang, und ich muss ein Taxiboot bestellen. Ich habe das Licht gesehen und … wäre es vielleicht möglich, dass ich mir kurz Ihr Handy ausleihe?«
    Sie besaß ein Handy. Aber das wusste der Mann hinter der Tür natürlich nicht.
    »Es ist nur ein kurzes Gespräch«, erklärte er durch die Tür. »Ich kann es Ihnen auch gerne bezahlen.«
    Für ein kurzes Handygespräch bezahlen? Um ein Taxiboot zu rufen? Olivia war ratlos. Sie könnte lügen und ihn mit der Behauptung abweisen, sie habe kein Handy. Oder ihn zu Axel schicken. Gleichzeitig war ihre Neugier geweckt worden. Was hatte er in der Bucht gemacht? Warum hatte er bei Ebbe im Mondschein am Ufer gestanden? Wer war er? Was hätte Arne getan?
    Er hätte die Tür geöffnet.
    Das tat Olivia auch, aber ganz vorsichtig und nur einen Spaltbreit. Sie hielt ihr Handy durch die Ritze hinaus.
    »Danke«, sagte Nilsson.
    Er nahm das Handy, tippte eine Nummer ein und bestellte ein Taxiboot zur westlichen Anlegestelle. Er wolle in einer Viertelstunde dort sein.
    »Danke fürs Ausleihen«, sagte er.
    Olivia nahm ihr Handy durch den Spalt an. Nilsson drehte sich um und ging.
    Daraufhin öffnete Olivia die Tür ganz.
    »Ich habe Sie heute Abend oben an der Bucht Hasslevikarna gesehen.«
    Als Nilsson sich umdrehte, stand Olivia im Gegenlicht der Nachttischlampe. Er sah sie an und blinzelte, als stutze er wegen irgendetwas, aber sie begriff nicht, wegen was. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde.
    »Was haben Sie dort gemacht?«, fragte er.
    »Ich hatte mich verlaufen und bin zufällig da oben gelandet.«
    »Ein schöner Ort.«
    »Ja.«
    Stille … Und was haben Sie dort gemacht? Begriff er

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