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Die Springflut: Roman (German Edition)

Die Springflut: Roman (German Edition)

Titel: Die Springflut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cilla Börjlind , Rolf Börjlind
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Der nächsten Station vielmehr, die eigentlich die wichtigere war. Sein Gang zur ersten war eher ein Akt der Trauer gewesen. Die zweite hatte dagegen eine konkrete Bedeutung.
    Dort würde er handeln.
    Er wusste natürlich, wo das grüne Haus lag, hatte jedoch vergessen, dass das Grundstück von einer derart dichten Hecke umzäunt wurde, was für ihn allerdings nur von Vorteil war. So konnte er leicht hindurchschlüpfen und hinter der Hecke von außen nicht mehr gesehen werden.
    Er sah, dass in dem Haus Licht brannte, und das störte ihn. Es waren Leute da. Er würde sich an der Hecke entlang vorbeischleichen müssen, um zur richtigen Stelle zu gelangen.
    Vorsichtig setzte er sich, den Koffer in der Hand und möglichst leise, in Bewegung. Die Dunkelheit machte es ihm schwer zu sehen, wohin er trat. Als er fast auf Höhe des Hauses war, hörte er, dass auf der anderen Seite eine Tür aufgestoßen wurde. Er presste sich in die Hecke, und ein kräftiger Ast schlug in sein Gesicht. Er rührte sich nicht von der Stelle und sah in zehn Meter Entfernung einen kleinen Jungen lachend um die Hausecke laufen, der sich dann an die Wand drückte. Spielte er Verstecken? Nilsson atmete so leise, wie es nur ging. Wenn der Junge sich umdrehte und in seine Richtung sähe, würde er ihn ertappen, so nahe, wie sie sich in diesem Moment waren.
    »Johan!«
    Der Ruf kam von einer Frau. Der Junge kauerte sich ein wenig zusammen und wandte den Kopf kurz der Hecke zu, so dass Nilsson ganz kurz das Gefühl hatte, dass sich ihre Blicke begegneten. Der Junge rührte sich nicht.
    »Johan!«
    Die Frau rief jetzt lauter, worauf sich der Junge plötzlich von der Wand abdrückte, loslief und hinter der anderen Hausecke verschwand. Nilsson blieb in der Hecke stehen, bis er die Tür hörte. Es wurde still. Dennoch wartete er noch einige Minuten, bevor er weiterging.
    Vermutlich wäre sie im Wald erfroren oder auf eine andere schlagzeilentaugliche Art umgekommen. Aber es kam anders, was allerdings nicht ihr Verdienst war, sondern Axels. Als sie sich schließlich völlig erschöpft neben einem nassen Findling auf die Erde fallen ließ, hörte sie die Stimme.
    »Haben Sie sich verirrt?«
    Ein großer, breitschultriger Mann mit kurzen Haaren und intensiven Augen stand einen Meter von ihr entfernt und betrachtete ihre nasse Gestalt. Eine Antwort erübrigte sich im Grunde, und deshalb gab sie ihm auch keine.
    »Wer sind Sie?«, fragte sie stattdessen.
    »Axel Nordeman. Meine Mutter meinte, ich solle mal Ausschau nach Ihnen halten. Sie ist an Ihrer Hütte vorbeigekommen, und da waren Sie noch nicht zurück. Haben Sie sich verlaufen?«
    Das ist noch untertrieben, dachte sie, ich habe mich so verlaufen, wie das auf dieser verdammten Insel überhaupt möglich ist.
    »Ja«, antwortete sie.
    »Alle Achtung.«
    »Wie bitte?«
    »Eine echte Leistung, sich auf unserer Insel zu verirren, sie ist ja nicht sonderlich groß.«
    »Vielen Dank.«
    Axel half ihr auf und sah sie an.
    »Sie sind ja völlig durchnässt? Sind Sie etwa reingeplumpst?«
    Reingeplumpst? Oben an den Schaumbuchten? Nannten die Insulaner das so? Dass man reinplumpste? Wenn sich die ganze verdammte Nordsee auf einen warf?
    Ein seltsamer Menschenschlag.
    »Können Sie mir den Weg zurück zeigen?«
    »Sicher. Hier, nehmen Sie meine Jacke.«
    Axel legte seine große, warme und dicke Jacke um die frierende Olivia.
    Dann führte er sie durch den tiefen, dichten Wald bis zu der kleinen gelben Hütte und bot ihr anschließend an, ihr etwas zu essen vorbeizubringen.
    Ein Held, dachte Olivia, als sie mit einem Teller lauwarmer Bratkartoffeln in eine Decke gehüllt auf ihrem Bett saß. Jemand, der Leben rettet und nicht viel redet, sondern einfach handelt.
    Das war Axel Nordeman.
    »Sind Sie einer von den Hummerjungen?«, hatte sie ihn halb scherzhaft gefragt.
    »Ja«, hatte er ihr geantwortet. Und das war es dann auch schon gewesen.
    Das war wirklich etwas anderes als Ulf Molin.
    Mit dem Essen, der Wärme und dem Überleben kehrten Olivias Lebensgeister zurück. Und die ihres Handys, das inzwischen mit freundlicher Unterstützung eines geliehenen Föhns ebenfalls trocken war.
    Als sie ihre SMS und Mails durchsah, fiel ihr wieder ein, woran sie sich erinnern sollte: Ove Gardman anzurufen. Sie hatte schon am Vortag im Nachtzug seine Nummer gewählt, aber nur seinen Anrufbeantworter erreicht. Nun versuchte sie es noch einmal.
    Sie sah auf die Uhr, es war kurz vor zehn. Wieder wurde sie nur mit seinem AB verbunden,

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