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Die Springflut: Roman (German Edition)

Die Springflut: Roman (German Edition)

Titel: Die Springflut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cilla Börjlind , Rolf Börjlind
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ihm gestellt hatte. Wer zum Teufel war dieser Mann?
    Sie versuchte, sich an Konkretes zu halten.
    »Warum war dieser Ohrring so interessant?«
    »Weil das Opfer keine Ohrlöcher hatte.«
    »Und es ein Steckohrring war?«
    »Genau. Sind Sie fertig?«
    »Nein, ich würde wirklich gerne hören, welche Theorien sie damals verfolgt haben«, sagte sie.
    »Wir hatten viele.«
    »Zum Beispiel?«
    »Rauschgift, dass die Frau ein Drogenkurier war und für ein Kartell arbeitete, das zu jener Zeit an der Westküste operierte, und dass bei einer Lieferung etwas schiefgegangen war. Wir haben einen Drogenabhängigen vernommen, der sich kurz vor dem Mord auf der Insel aufgehalten hatte, aber die Spur führte ins Nichts. Illegale Einwanderung, dass die Frau ihren Schleuser nicht bezahlen konnte, Menschenhandel, dass die Frau eine Prostituierte war und versucht hatte, vor ihrem Zuhälter zu fliehen, und daraufhin ermordet wurde. Für keine dieser Theorien ließen sich Beweise finden. Aber unser größtes Problem bestand damals darin, dass die Frau nie identifiziert werden konnte.«
    »Niemand hat sie als vermisst gemeldet?«
    »Nein.«
    »Aber zu dem Kind muss es doch einen Vater gegeben haben.«
    »Sicher, aber vielleicht wusste er nichts von dem Kind, oder er war einer der Täter.«
    Auf die Idee war Olivia noch nicht gekommen.
    »Gab es auch Theorien über eine Sekte?«, fragte sie.
    »Eine Sekte?«
    »Ja, dass die Tat irgendwie mit Ebbe und Flut und dem Mond zusammenhing und …«
    »Eine Sekte war bei uns nie Thema.«
    »Okay. Aber was ist mit der Insel, Nordkoster? Es ist recht umständlich, dorthin zu gelangen und wieder wegzukommen. Kein idealer Tatort.«
    »Und wie sieht ein idealer Tatort aus?«
    »Einen idealen Tatort kann man schnell verlassen, wenn man einen ziemlich ungewöhnlichen Mord geplant hat.«
    Stilton schwieg einige Sekunden.
    »Der Ort hat uns verblüfft.«
    Im selben Moment ging das Teelicht aus.
    »Die Zeit ist abgelaufen.«
    »Jackie Berglund«, sagte Olivia.
    Jetzt herrschte vollkommene Dunkelheit in dem Müllkeller. Keiner sah den anderen. Nur ihre Atemzüge waren zu hören. Kommen jetzt die Biber aus ihren Löchern, dachte Olivia.
    »Was ist mit Jackie Berglund?«
    Stilton gab ihr noch einige Sekunden in der Dunkelheit.
    »Mir ist der Gedanke gekommen, dass sie irgendwie in die Sache verwickelt gewesen sein könnte, sie arbeitete damals ja als Escortgirl, und vielleicht war das Opfer auch eins oder kannte Jackie zumindest … ich meine, dass es vielleicht einen Zusammenhang zwischen ihnen gegeben haben könnte, haben Sie darüber auch nachgedacht?«
    Stilton antwortete nicht sofort. Er war in Gedanken ein wenig zu Jackie Berglund und der Tatsache abgeschweift, dass die junge Frau in der Dunkelheit seine eigenen Gedankengänge in der Vergangenheit berührt hatte.
    Trotzdem sagte er:
    »Nein. Sind Sie jetzt fertig?«
    Olivia war noch lange nicht fertig, begriff aber, dass Stilton es war, und stand auf.
    Vermutlich lag es an der Dunkelheit, der relativen Anonymität, jedenfalls stellte sie, während sie sich zur Metalltür vortastete, eine Frage in den dunklen Raum hinein.
    »Warum leben Sie als Penner?«
    »Ich bin obdachlos.«
    »Und warum sind Sie das?«
    »Weil ich keine Wohnung habe.«
    Mehr sagte er nicht. Olivia erreichte die Tür, drückte die Klinke herunter und wollte sie gerade öffnen, als sie hinter sich seine Stimme hörte.
    »Sagen Sie …«
    »Ja?«
    »Ihr Vater ist bei den Ermittlungen dabei gewesen.«
    »Ich weiß.«
    »Warum haben Sie ihn nicht gefragt?«
    »Er ist vor vier Jahren gestorben.«
    Olivia stieß die Tür auf und verließ den Raum.
    Er hat also nicht gewusst, dass Papa tot ist, dachte sie auf dem Weg zum Auto. Wie lange lebt er eigentlich schon als Penner? Seit er bei der Polizei gekündigt hat? Seit sechs Jahren? Aber landet man wirklich so schnell ganz unten? Dauert das nicht eine ganze Weile? Hat er wirklich jeden Kontakt zu den Leuten abgebrochen, mit denen er damals zusammenarbeitete?
    Seltsam.
    Jedenfalls hatte er ihre Fragen beantwortet, und sie würde vermutlich nie wieder mit Stilton zu tun haben. Jetzt würde sie zusammenstellen, was sie herausgefunden hatte, eine Art Schlussfolgerung formulieren und die Arbeit anschließend Åke Gustavsson schicken.
    Aber das mit dem Ohrring war interessant.
    Die Frau am Ufer hatte einen Ohrring in ihrer Manteltasche, aber keine Ohrlöcher gehabt.
    Woher kam der Ohrring?
    Olivia beschloss, mit ihrer Zusammenfassung noch etwas zu

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