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Die Spur der Füchse

Die Spur der Füchse

Titel: Die Spur der Füchse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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mal dorthin, damit die Bartstoppeln sich aufrichteten. Dann rasierte er sich. Diese Übung praktizierte er seit nunmehr vierzig Jahren jeden Morgen, doch sie war so ermüdend wie eh und je.
    Ja, die Halbjahresbilanz sah schlecht aus. Hamilton Holdings war in Schwierigkeiten.
    Als Derek die Hamilton-Druckerei von seinem Vater geerbt hatte, war sie ein solides, erfolgreiches und einträgliches Unternehmen. Jasper Hamilton war Drucker gewesen – fasziniert von Lettern und Schriftarten und stets versessen auf die neueste Technologie. Jasper hatte den öligen Geruch der Druckerpressen geliebt, das gute alte Handwerk. Sein Sohn Derek hingegen war Geschäftsmann, der die ständig fließenden Gewinne der väterlichen Firma abschöpfte und in branchenfremden Unternehmen investierte – Weinimport, Einzelhandel und Verlagsindustrie, Papiermühlen und kommerzielle Radiosender. Auf diese Weise erreichte Derek sein wichtigstes Ziel: Gewinne in Vermögenswerte umzuwandeln und dadurch dem Finanzamt aus dem Weg zu gehen. Statt sich mit Bibeln und Taschenbüchern und Werbeprospekten zu beschäftigen, hatte Derek Hamilton sich mit Liquiditäten, Gewinnen und Renditen befaßt. Er hatte Firmen aufgekauft, neue unternehmerische Aktivitäten begonnen und nach und nach ein Imperium errichtet.
    Der anhaltende Erfolg des väterlichen Stammbetriebs hatte die Zerbrechlichkeit und Fadenscheinigkeit dieses Imperiums lange Zeit übertüncht. Doch als die Druckerei in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, mußte Derek erkennen, daß die meisten seiner anderen Firmen unrentabel waren. Er hatte die Investitionen unterschätzt, die erforderlich waren, um sein Imperium erblühen zu lassen; hinzu kam, daß einige Firmen eine sehr lange Anlaufzeit brauchten, um in die schwarzen Zahlen zu kommen.
    Als Derek die Notlage erkannte, verkaufte er neunundvierzig Prozent der Aktienanteile jeder seiner Firmen; dann gründete er mit dem eigenen Kapital eine HoldingAktiengesellschaft, von der er wiederum neunundvierzig Prozent verkaufte. Er beschaffte sich weitere Gelder und handelte einen Überziehungskredit aus, der eine siebenstellige Summe umfaßte. Dieser Kredit erhielt das Firmenimperium zwar am Leben, doch die Zinsen, die im Laufe der letzten zehn Jahre rapide gestiegen waren, fraßen die ohnehin spärlichen Gewinne auf.
    Das alles hatte Derek Hamilton sein Magengeschwür eingebracht.
    Das »Rettungsprogramm« für seine Firmen war vor fast einem Jahr angelaufen. Die Neuaufnahme von Krediten wurde eingeschränkt, um die Zinslast zu senken und die Verschuldung zu verringern; die Betriebskosten waren auf jede nur erdenkliche Weise gesenkt worden, unter anderem durch den Verzicht auf bereits konzipierte Werbefeldzüge und durch die Benutzung der Reste sämtlicher Druckpapierrollen zur Herstellung von Schreibblocks im ehemals väterlichen Stammbetrieb. Inzwischen führte Derek ein strenges Regiment und hielt seinen Dampfer rigoros auf Sparkurs, doch die Inflation und der allgemeine wirtschaftliche Rückgang waren schneller. Derek hatte damit gerechnet, daß die Halbjahresbilanz aller Welt zeigen würde, daß die Hamilton Holdings die Kurve gekriegt hatte. Statt dessen machte die Bilanz deutlich, daß es weiter bergab ging.
    Derek tupfte sich das Gesicht mit einem warmen Handtuch ab, rieb sich die Wangen mit Rasierwasser ein und ging zurück ins Schlafzimmer. Ellen war bereits angezogen, saß vor dem Spiegel und schminkte sich. Sie schaffte es immer, sich dann an-und auszuziehen, wenn ihr Mann sich gerade nicht im Schlafzimmer aufhielt. Derek mußte plötzlich daran denken, daß er Ellen seit Jahren nicht mehr nackt gesehen hatte. Er fragte sich, warum. Waren Ellens fünfundfünfzig Jahre alte Haut so faltig und ihr einst festes Fleisch so schwammig geworden, daß sie alle Hoffnung hatte fahren lassen? Würde ihre Nacktheit sogar die Illusion von Attraktivität zunichte machen? Wahrscheinlich. Doch als Derek in seine vorzeitgroße Unterhose stieg, kam ihm der Verdacht, daß etwas noch Komplizierteres dahinterstecken mußte – irgend etwas, das auf obskure Weise mit seinem eigenen alternden Körper zu tun hatte.
    Ellen kleidete sich stets schlicht und zurückhaltend. Schon aus diesem Grunde war Derek nie besonders scharf auf sie – und aus diesem Grunde wiederum hatte sie ihm nicht zeigen müssen, wie unattraktiv sie ihn fand. Mit Absicht?, fragte er sich nun. Eine solche Verbindung von Einfühlungsvermögen und Verschlagenheit wäre typisch für

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