Die Spur der Füchse
das einzige Kind handelt, ist es das Wichtigste im Leben eines Mannes.
Schließlich, ging es Ron Biggins durch den Kopf, verbringt ein Mann sein halbes Erwachsenenleben damit, die Tochter großzuziehen – in der Hoffnung, daß ihr ein solider, ehrlicher, strebsamer junger Bursche über den Weg läuft, wenn sie in das entsprechende Alter kommt. Ein junger Mann, der sich genauso um sie kümmert, wie der Vater es getan hat. Aber kein ständig besoffener, stinkiger, schmutziger, langhaariger, Hasch rauchender, arbeitsloser Scheißherumtreiber …
»Was?« fragte Max Fitch.
Abrupt wurde Roy aus seinen Gedanken gerissen. »Hab’ ich was gesagt?«
»Du hast irgendwas gemurmelt«, sagte Max. »Geht dir was durch den Kopf?«
»Könnte sein, mein Junge«, sagte Ron und dachte: Wahrscheinlich ging mir ein Mord durch den Kopf. Aber er wußte natürlich, daß das ein bißchen übertrieben war. Langsam beschleunigte er das Fahrzeug, um den Abstand zwischen dem Transporter und den Motorrädern der Polizei wiederherzustellen.
Mehr als einmal wäre Ron dem arbeitsscheuen Schweinekerl am liebsten an die Gurgel gefahren. Zum Beispiel als er gesagt hatte: »Ich und Judy haben uns überlegt, daß wir am besten ‘ne Zeitlang zusammenwohnen, damit wir sehen, ob’s mit uns beiden was werden kann.« Der Mistkerl hatte es so beiläufig gesagt, als wollte er mit Judy ins Kino gehen.
Und dieser Penner war zweiundzwanzig, fünf Jahre älter als Judy! Gott seit Dank war sie noch minderjährig und mußte ihrem Vater von Rechts wegen gehorchen. Ihr Hippie-Freund – er hieß Lou – hatte im Wohnzimmer gesessen, als er diesen Vorschlag machte, und nervös aus der schmuddeligen Wäsche geguckt. Er trug ein unbeschreibliches Hemd, eine ausgefranste Jeans mit einem seltsam verzierten Ledergürtel, der an ein mittelalterliches Folterinstrument erinnerte, und Sandalen ohne Socken, so daß man seine schmutzigen Schweißfüße sehen konnte. Als Ron den Penner gefragt hatte, womit er seinen Lebensunterhalt verdiene, hatte er sich als arbeitslosen Dichter bezeichnet, worauf Ron den Verdacht hegte, daß dieser kleine Hurensohn ihn auf die Schippe nehmen wollte.
Nach Lous Bemerkung über das ›Zusammenleben auf Probe‹ mit Judy hatte Ron den Penner aus der Wohnung geschmissen. Aber damit hatte der Ärger erst richtig angefangen. Zuerst hatte Ron seiner Tochter erklärt, daß sie nicht mit Lou zusammenleben dürfe, weil sie sich ihre Unschuld für den zukünftigen Ehemann bewahren müsse, worauf Judy ihm ins Gesicht gelacht und gesagt hatte, daß sie schon mindestens ein halbes dutzendmal mit Lou ins Bett gegangen sei – immer dann, wenn sie angeblich die Nacht bei einer Freundin in Finchley verbracht hatte. Der fassungslose Ron hatte erwidert, daß sie ihm jetzt wohl auch noch anvertrauen würde, daß sie schwanger sei, worauf Judy sagte, er solle sich nicht so dämlich anstellen; seit ihrem sechzehnten Geburtstag nähme sie die Pille, nachdem die Mutter mit ihr zur Familienberatungsstelle gegangen sei. In diesem Augenblick war Ron drauf und dran gewesen, seine Frau zum erstenmal in zwanzig Ehejahren zu verprügeln.
Ron hatte einen Kumpel bei der Polizei gebeten, Nachforschungen über einen Louis Thurley, Weißer, Alter zweiundzwanzig, arbeitslos, wohnhaft Barracks Road, Harringey, anzustellen. Die Durchsicht der Akten hatte ergeben, daß Lou zweimal vorbestraft war: einmal wegen Genuß von Haschisch beim Pop-Festival in Reading, ein andermal wegen Ladendiebstahls in einem Lebensmittelgeschäft in Muswell Hill. Diese Information hätte eigentlich reichen müssen, um das Kapitel Lou endgültig abzuschließen. Aber Lous finstere Vergangenheit konnte Rons Frau nicht überzeugen, und Judy sagte nur, daß sie bereits alles über diese beiden Vorfälle wisse. Sich ›einen Joint reinzuziehen‹, sollte ohnehin straffrei sein, erklärte sie. Und was den Ladendiebstahl angehe: Lou und seine Freunde hätten im Grunde gar nichts geklaut, sie hätten bloß in dem Lebensmittelgeschäft auf dem Fußboden gehockt, Schweinefleischpasteten aus einem Regal genommen und sie gegessen, als plötzlich die Polizei gekommen sei und sie verhaftet habe. Lou und seine Freunde hätten das nur getan, weil sie Hunger, aber kein Geld hatten. Judy schien ein derartiges Verhalten für vollkommen normal, ja, vernünftig zu halten.
Da Ron es einfach nicht schaffte, seine Tochter zur Vernunft zu bringen, erteilte er ihr schließlich ein abendliches Ausgehverbot. Judy nahm es
Weitere Kostenlose Bücher