Die Spur der Hebamme
mit mir in den Krieg ziehen?«, schnappte Otto.
Selbst Randolf schien diese Wahl wenig zu begeistern, obwohl ein Krieg immer Aussicht auf Beute bot, auf viel mehr, als sich aus den Bauern herausprügeln ließ. Vermutlich schätzte er die Erfolgsaussichten dieses Feldzuges ähnlich gering ein wie Otto.
Christian hingegen überschlug voller Sorge, wie viele Dorfbewohner er in diesem Fall für das Heer des Markgrafen aufbieten müsste.
»Also dann«, verkündete Otto entschlossen. »Mir bleibt kein anderer Weg. Ich werde eine Sondersteuer für den Krieg erheben.«
Er wandte sich an Christian. »Von heute an wird jeder freie Mann in Eurem Dorf den Zehnten an mich entrichten. Am Tag nach Walpurgis ist die erste Zahlung fällig.«
Er hob mit einer schroffen Geste die Hand, um Christian an einer Erwiderung zu hindern.
»Schaut mich nicht so vorwurfsvoll an! Ihr müsst mich nicht daran erinnern, dass ich den Siedlern Abgabenfreiheit auf zehn Jahre versprochen hatte und erst sieben davon verstrichen sind. Doch meine Großzügigkeit war für Leute bestimmt, die unter Mühen ihre Felder dem Wald abringen sollten und nicht wussten, wie sie über den Winter kommen. Und nun seht Euch Euer Dorf an! Im ganzen Reich erzähltman sich von den paradiesischen Verhältnissen in Christiansdorf, wo selbst der einfachste Bauer noch sein Geld ins Hurenhaus tragen kann. Krämer und Pfeffersäcke trinken guten Wein statt dünnes Bier und kleiden ihre Weiber in feines Tuch. Nächstens vielleicht noch in Samt und Seide, oder? Sie können sich sogar eine Kirche aus Stein leisten. Während ich schon Geld aufnehmen muss, um einen Altar zu stiften! Ab sofort wird gezahlt. Sonst muss ich die Sondersteuer für die ganze Mark verdoppeln, und dann« – er schaute grimmig in Christians Richtung – »werden die meisten Eurer vielgeliebten Bauern wirklich hungern müssen. Den anderen Bauern geht es längst nicht so gut wie denen bei Euch.«
»Lasst ihnen mit dem Bezahlen wenigstens Zeit bis nach der Ernte«, wandte Christian ein.
»So lange wartet der Kaiser nicht«, widersprach Otto. »Und seid ehrlich, mein Freund: Wie viele Leute in Eurem Dorf leben denn wirklich noch vom Ertrag ihrer Felder? Arbeiten die meisten nicht längst in den Gruben oder an den Scheidebänken und nehmen nur als Zubrot das bisschen Kohl und Erbsen, was sie in den Gärtchen hinter ihren Katen anbauen? Von den Handwerkern und Krämern ganz zu schweigen.«
Er zog die Augenbrauen zusammen und fuhr in schärferem Ton fort. »Ist es nicht so, dass jedes Mal, wenn die Erträge aus den Gruben ausgezahlt werden, die Männer vor dem Hurenhaus Schlange stehen, die Schenken brechend voll sind und die Weiber losziehen, um noch mehr eitlen Tand zu kaufen? Dann können sie auch den Zehnten an ihren Fürsten zahlen, wie es sich gehört in Gottes Ordnung der Welt.«
Dagegen vermochte Christian kaum etwas zu sagen. Die Menschen in seinem Dorf arbeiteten hart, doch im Vergleich zu den Bauern anderswo ging es ihnen gut. Und wenn Ottos Beschreibung auch übertrieben war, so traf sie im Kern zu. Die Christiansdorferwürden murren, aber die meisten von ihnen konnten die Steuer aufbringen, ohne hungern zu müssen. Wen sie hart traf, mit dem würde er über eine Lösung reden müssen.
Er selbst würde wohl noch mehr borgen müssen, denn alles Geld, das er besaß, hatte er in die Bewaffnung seiner Wachen und in den Bau der Kapelle gesteckt. Dass sie aus Stein sein würde, machte sie teuer. Aber niemand, der in einem Haus aus Stein wohnte, konnte eine Kapelle aus Lehm bauen – dies wäre eine Beleidigung Gottes gewesen.
»Ich werde Euch zwei Steuereintreiber mitschicken, die zusammen mit dem Vogt von Haus zu Haus gehen und feststellen, wie viel mir die Leute schuldig sind«, verfügte der Markgraf.
Das gibt Ärger, dachte Christian sofort. »Kann jemand aus dem Dorf sie begleiten, damit alles rechtens zugeht?«
»Wollt Ihr damit unterstellen, dass meine Leute Eure betrügen?«, grollte Otto mit hochgezogenen Brauen.
»Natürlich nicht. Wie könnte ich?«
Argwöhnisch sah der Markgraf auf seinen Ritter. »Keiner versteht es so gut, seinen Protest so hintergründig und doch dreist zu formulieren wie Ihr, Christian. Von mir aus kann mitgehen, wer will. Sie werden zahlen! Wer versucht, mich zu betrügen, verliert eine Hand! Ihr steht mir persönlich für Eure Leute ein, Christian.«
Wenn du meine Hand forderst, kann ich dir nur die linke bieten, dachte Christian bitter. Denn die Rechte
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