Die Spur der Hebamme
Tills Vermittlung hatte Christian einen jungen Priester ohne eigene Pfarre ausfindig gemacht, der bereit war, bei ihm eine Stellung als Hauskaplan und später auch als Lehrer für seine Kinder anzunehmen.
»Ist die Kapelle fertig? Dann kann ich also zurück mit dir nach Hause?«, fragte Marthe voller Hoffnung.
Sie wollte nicht länger von ihm und ihrem Sohn getrennt sein, sie wollte diesen eisigen Palas verlassen und die eintönigen Tage auf dem Burgberg voller geheuchelter Höflichkeiten eintauschen gegen die Geschäftigkeit in ihrem Haus. Sie sehnte sich nach Mechthilds gespielter Strenge, dem Geschimpfe des Großknechts über die bösartige alte Gans auf dem Hof, den Schelmenstreichen von Kuno und Bertram und den kecken Sprüchen des kleinen Peter.
»Noch nicht ganz«, gestand Christian bedauernd. »Wir werden Hilbert eine angemessene Kammer im Haus bereitstellen. Und du musst mitkommen. Ich brauche dich jetzt im Dorf.«
So knapp wie möglich berichtete er ihr von Ottos Befehlen und der Befürchtung, es könnten wieder Angreifer auftauchen, vielleicht in noch größerer Zahl. »Dann wird bald kein Weg ins Dorf mehr sicher sein.«
Sie nickte stumm. In Zeiten wie denen, die ihnen jetzt bevorstehen mochten, sah jeder zu, dass er die Seinen bei sich hatte.
Zu Christians Erleichterung war Hilbert sofort bereit, sein neues Amt anzutreten, auch wenn die Kapelle noch nicht fertig war. Seine hagere Gestalt und seine verschlissene Kutte deuteten darauf hin, dass er den Winter eher schlecht als recht überstanden hatte. Aber vielleicht lag ihm wirklich nichts an weltlichen Dingen. Hilbert war ein zutiefst gläubiger, kluger und zweiflerischer Mann, mutig genug, sich sogar um das Seelenheil einer Frau zu kümmern, die schon einmal vor einem Kirchengericht gestanden hatte, obwohl das seine Chancen auf eine eigene Pfarre sicher nicht erhöhen würde. Aber der junge Mann hatte Marthes Wasserprobe als Zeuge miterlebt und gehörte zu denjenigen Geistlichen, die diese Art der Wahrheitsfindung als zu fragwürdig abschaffen wollten.
Nach dem Mahl fand sich Christian wie befohlen erneut beim Markgrafen ein – diesmal in engster Runde mit Hedwig, Dietrich, Randolf und Arnulf, dem Waffenmeister.
»Der Großteil der Angreifer auf das Silber waren gut ausgerüstete, im Kampf geschulte Männer«, begann Otto ohne Umschweife. »Das kann nur heißen, einer meiner Gegner streckt die Hände nach meinem Geld aus und nutzt die Gelegenheit gleich noch, mich vor dem Kaiser in Schwierigkeiten zu bringen. Nur, wer?«
»Der Löwe ist zu weit weg und hat größere Sorgen, obwohl die Hinterhältigkeit eines solchen Vorgehens gut zu ihm passen würde«, meinte Dietrich. »Vielleicht sind es Abtrünnige, die auf eigene Rechnung arbeiten. Ich halte aber auch den jungen Landgrafen von Thüringen für fähig dazu. Er hat noch keine Gelegenheit zu einem Streit ausgelassen, seit er sein Erbe antrat.«
»Also, seid auf der Hut und findet das heraus«, forderte Markgraf Otto seine Ritter auf. »Und, Randolf, seht zu, dass nächstesMal Eure Gefangenen wenigstens so lange leben, dass Ihr Antworten bekommt.«
Der Hüne verzog das Gesicht zu einem verächtlichen Grinsen, doch er verneigte sich höflich. »Wie Ihr wünscht.«
Otto forderte Hedwig mit einem Blick auf, zu sprechen.
»Wenn eintritt, was wir alle befürchten, steht Blutvergießen bevor. Christian, ich habe gehört, Ihr wollt Eure Frau mit Euch nehmen?«
Christian, der sofort begriff, worauf hinaus dieses Gespräch nun laufen würde, fühlte auf einmal einen steinernen Klumpen in seinem Magen. Er nickte.
»Bischof Martin erlaubt ihr vorerst, weiterhin als Wehmutter tätig zu sein«, fuhr Hedwig fort. »Doch nur unter der Bedingung, dass sie es unter Aufsicht Eures Pfarrers tut, Sebastian, wenn ich mich richtig entsinne. Er soll sich davon überzeugen, dass es ein frommes, mildtätiges Werk ist, was sie da tut, und kein heidnisches Unwesen.«
Sie geben nicht auf, dachte Christian verbittert. Sie versuchen immer noch, sie ins Grab zu bringen
Doch er verbarg seine Unruhe sorgfältig, denn er wusste Randolfs Blick auf sich. Nach einem knappen Nicken zu Hedwig wandte er sich an Markgraf Dietrich.
»Wünscht Ihr angesichts dieser Lage, dass ich Euren Sohn wieder in mein Dorf mitnehme? Wenn es blutige Kämpfe gibt, wäre er auf dem Burgberg sicherer aufgehoben.«
»Er ist bei Euch in guter Obhut«, antwortete Dietrich, ohne zu zögern. »Vorhin habe ich mich von seinen Fortschritten
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