Die Spur der Hebamme
ihrer nicht würdig. Ich stamme nicht aus edlem Haus. Vielleicht sollte ich besser in das Haus meines Bruders ziehen. Er kann mich beaufsichtigen.«
Randolf lachte. »Was soll so ein Schmied schon bewirken?« Wieder musterte er sie mit seinen eiskalten Augen.
»Nein, mein Vögelchen, nur bei mir bist du sicher aufgehoben. Der Pater will Gewissheit, dass du dich fromm und züchtig benimmst. Und Christian würde es mir nie verzeihen, wenn dir inseiner Abwesenheit etwas zustößt, nur weil ich mich nicht um dich gekümmert habe. Nicht wahr?«
Er sah sich unter seinen Männern um, die lachten und lautstark zustimmten.
»Um ganz sicherzugehen, dass jeder Makel von dir genommen wird, will ich sogar noch etwas tun«, verkündete Randolf.
Johanna hielt den Atem an.
»Ich werde dich einem meiner Getreuen zur Frau geben.«
Nein!, wollte Johanna schreien, doch Randolfs harter Blick erstickte den Laut in ihrer Kehle.
Der Burgherr ließ seine Blicke über die Männer schweifen, aber das Mädchen wusste, er hatte seine Wahl längst getroffen und abgesprochen.
»Wulf, du kannst sie haben.«
Ein Mann trat vor, dessen Anblick ihr ebenso viel Furcht wie Abscheu einflößte: ein vierschrötiger kahler Kerl, der mehr als einen Kopf größer als sie war und aus dessen Gesichtszügen unverhüllte Brutalität sprach.
»Danke, mein Herr«, sagte er, verbeugte sich und sah dann grinsend auf Johanna, wobei er eine Reihe schwarzer Zahnstummel zeigte. Ihr war, als würde er sie bereits mit seinen gierigen Blicken ausziehen.
»Er ist ein gestandener Kämpfer. Du darfst dich glücklich schätzen mit meiner Wahl«, erklärte Randolf.
Obwohl sich Johanna vor dem Hünen fast zu Tode fürchtete, widersprach sie standhaft. »Vergebt mir, Herr, aber nur mein Stiefvater kann eine Hochzeit für mich absprechen.«
»Unsinn. Christian ist nicht da, niemand weiß, wann und ob er wiederkommt. Eine Hochzeit ist der beste Weg, Pater Sebastian zu beschwichtigen und jeden Verdacht von dir zu nehmen. Ich werde dir sogar eine Mitgift geben als Zeichen meiner Fürsorge.«
Randolf beugte sich vor und wirkte dabei wie ein Raubtier kurz vor dem Sprung nach der sicheren Beute. »Du solltest dich etwas dankbarer zeigen. Denk daran, woher du stammst! Also zier dich nicht länger. Komm, zeig deinem Bräutigam dein Haar!«
Die Männer sahen sie mit drohenden Blicken an. Zögernd knotete Johanna das Tuch auf, das sie um den Kopf gebunden hatte. In ihr wuchs der Verdacht, dass Wulf nicht bis zur Hochzeitsnacht warten würde. Hier, in Randolfs Reich, würde niemand ihn hindern, wenn er sich schon vorher holte, was ihm sein Dienstherr zugesprochen hatte. Sie wusste nicht, was schlimmer war: der Gedanke daran, dass dieser Grobian bald ihren Körper in Besitz nehmen würde, oder die Vorstellung, dass er es als ihr Mann immer wieder tun könnte und sie ihm bis ans Lebensende ausgeliefert war.
»Was für eine Schönheit. Nicht wahr, Wulf?«
Der Vierschrötige grinste dümmlich, während die anderen Männer lachten.
»Morgen wird geheiratet, dann gehört sie dir«, meinte Randolf. »Bis dahin bringt sie in eine unserer besonderen Gästekammern, damit ihr Ruf gewahrt wird.«
Johanna wollte fliehen, als zwei der Männer auf sie zutraten, aber plötzlich standen zwei weitere hinter ihr und schnitten ihr den Weg ab.
Einer packte sie fest am Arm und zerrte sie aus dem Bergfried hinaus und über den Hof zu Randolfs Haus.
Mit hängendem Kopf ließ sie sich von ihm führen und sah dabei verstohlen um sich, ob sie irgendjemanden entdeckte, der ihr helfen würde. Aber niemand schien von ihr Kenntnis zu nehmen, weder die Bauleute noch die kleine Magd, die sich gerade mit zwei Eimern Wasser abschleppte.
Ihr Bewacher brachte sie in eine winzige Kammer. Nachdem erdie Tür geschlossen hatte, hörte sie, wie von außen ein Riegel vorgeschoben wurde.
Ein flackerndes Binsenlicht beleuchtete den Raum, der kein einziges Fenster besaß und auch keine weitere Tür. In ihrer Angst tastete Johanna über die Wände auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit, doch das Mauerwerk war festgefügt.
Schließlich kauerte sie sich auf das Bett, den einzigen Gegenstand in der Kammer, umklammerte die angezogenen Beine und überdachte ihre Lage. Doch sie kam immer wieder nur zu einem Ergebnis: Christian musste tot sein, sonst hätte sich Randolf nicht so verhalten.
Jetzt konnte auch Kuno ihr nicht mehr helfen. Und was sollte er denn tun? Randolf hatte bestimmt Vorkehrungen getroffen, um
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