Die Spur der Hebamme
waren.
Die unbeherrschte Wut des Burgvogts bekamen nun bevorzugt dessen eigene Leute zu spüren: das Gesinde wurde bei den geringsten Vergehen unnachgiebig verprügelt, auch die Reisigen mussten so manchen Hieb einstecken. Und es bereitete Kuno und Karl nicht unbeträchtliche Schadenfreude, zu sehen, dass auch Martin seinen Teil abbekam und neuerdings mit einer Zahnlücke mehr als zuvor und zugeschwollenem Auge durchs Dorf humpelte.
Beim Wallbau wurde die geringste Nachlässigkeit bestraft. Wer immer konnte, schickte einen Knecht zu dieser Arbeit, sofern er das nicht schon längst getan hatte.
Wenn hingegen Pater Sebastian beim Gottesdienst von den Dorfbewohnern Gehorsam und Demut gegenüber denen forderte, die Gott über sie gestellt hatte, machte sich so mancher seine eigenen Gedanken und betete stumm, dass Christian bald wiederkäme.
Die Hochzeit
Der für die Hochzeit von Marthe und Ekkehart angesetzte Tag rückte näher ohne auch nur das geringste Anzeichen dafür, dass Christian und Lukas zurückkehren würden. Die Burgbewohner gewöhnten sich daran, dass Marthe von Tag zu Tag mehr Zeit auf den Zinnen des weißen Turmes verbrachte, um Ausschau zu halten – vergeblich. Doch sie weigerte sich nach wievor, an Christians Tod zu glauben, und es kümmerte sie nicht, ob die anderen sie deshalb für töricht hielten.
Mit jedem Tag wurde Marthe verzweifelter.
Hatte sie mit zu hohem Einsatz gespielt? Sie fürchtete sich davor, mit Ekkehart verheiratet zu werden, aber noch mehr vor etwas anderem: Wie Christian reagieren würde, sollte er heimkehren, nachdem sie erneut vermählt worden war.
Der Gedanke, dass ihr Otto keine Wahl gelassen hatte, dass sie auf Befehl des Markgrafen schon längst Ekkeharts Frau wäre, hätte sie ihm nicht eine Gnadenfrist abgerungen, konnte sie nicht trösten. Ich verrate Christian. Und vielleicht habe ich auch noch Lukas in den Tod geschickt mit meinem Starrsinn, dachte sie wieder und wieder.
Wenigstens waren ihre Kinder weit weg von hier bei Elisabeth gut aufgehoben. Wie hätte sie ihrem Sohn verständlich machen sollen, dass sie womöglich in wenigen Tagen einen anderen Mann heiraten musste, obwohl sie an die Rückkehr seines Vaters glaubte?
Nachts sann sie über Fluchtpläne nach. Dabei wusste sie, dass sie nicht fliehen würde. Wegen ihrer Kinder, wegen Johanna, die vorerst immer noch unerkannt in der Küche arbeitete, und wegen der Menschen im Dorf musste sie bleiben.
Ekkehart warb in aller Förmlichkeit um sie, aber in der unverkennbaren Gewissheit, dass diese Hochzeit stattfinden würde und er den Tag kaum erwarten konnte. Er ließ ihr Geschenke bringen: Schmuck, einen seidenen Schleier, ein kostbar verziertes Schmuckkästchen.
Marthe wies seine Aufmerksamkeiten stets mit den gleichen höflichen Worten ab: Sie seien eine angemessene Morgengabe, aber solange die vereinbarte Frist nicht abgelaufen sei, betrachte sie sich noch als verheiratet mit Christian und dürfe nicht die Geschenke eines anderen Mannes annehmen.
Eines Tages sprach er sie in aller Öffentlichkeit darauf an, vor dem halben Hofstaat. »Warum beleidigt Ihr mich, indem Ihr meine Brautgeschenke zurückweist, Dame Marthe?«
Die Anwesenden begannen sofort zu tuscheln.
Marthe fühlte unzählige Augenpaare auf sich gerichtet. Ohne Ekkehart anzusehen, sagte sie, die Lider gesenkt: »Wenn Ihr mir wirklich ein Geschenk machen wollt als mein künftiger Gemahl …«
»Sagt mir, was Ihr wünscht, und ich lege es Euch zu Füßen, sofern es in meiner Macht steht«, fiel Ekkehart in die Pause ein, die sie bewusst zwischen ihren Worten gemacht hatte. Dabei legte er die Hand aufs Herz und verneigte sich vor ihr.
Hinter sich hörte sie ein paar Damen sehnsuchtsvoll seufzen, jemand hauchte leise, aber vernehmlich: »Wie rührend! Ein wahrer Edelmann!«
Nun blickte Marthe auf, direkt in Ekkeharts Augen. »Dann macht Euren Einfluss auf den Vogt von Christiansdorf geltend, damit er die Menschen im Dorf nicht länger schindet.«
Entrüstete Ausrufe mischten sich in das Gemurmel im Palas. Ekkehart, der sie ansah, als hätte sie einen Bottich kalten Wassers über ihm ausgegossen, richtete sich schroff auf.
»Dir geht es nur darum, nicht wahr?«, zischte er ihr wütend zu.
»Nur um dein Bauernpack! Nur deshalb willst du mich heiraten.«
»Darf ich Euch daran erinnern, dass ich Euch nicht heiraten will, sondern muss«, flüsterte sie zurück. »Um mich zu bekommen, habt ihr geschworen, das zu tun, worum ich Euch gerade
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