Die Spur der Hebamme
bat.«
Mit versteinerter Miene verneigte sich Ekkehart knapp vor ihr und stürmte nach draußen, während die Hofgesellschaft erneut zu wispern begann.
In ihrer Verzweiflung suchte Marthe drei Tage vor Ablauf der Frist den Diakon des Bischofs auf, einen Mann, der für seineStrenge bekannt war. Sie war sich sicher, dass man sie vorlassen würde, denn Bischof Martin würde nicht vergessen haben, dass sie ihm noch Aufklärung über ihr rätselhaftes Verschwinden aus dem Kerker schuldete.
Beklommen kniete sie nieder, genau in jenem Saal, wo sie einst blutig geschlagen und gefesselt verhört worden war.
»Ehrwürdiger Vater, ich suche Euren Rat in großer Not«, begann sie, als er ihr huldvoll, aber mit unverkennbarer Neugier erlaubte zu sprechen.
»Ich fürchte mich davor, eine schreckliche Sünde zu begehen. Ich soll verheiratet werden. Aber was ist, wenn mein Mann noch gar nicht tot ist? Dann breche ich das Ehegelübde.«
Enttäuscht lehnte sich der Geistliche zurück. »Mir ist dein Fall bekannt, meine Tochter. Es gibt sichere Beweise für den Tod deines früheren Mannes. Also steht einer Neuvermählung nichts im Wege. Und falls Christian wirklich noch am Leben sein sollte, wird der Allmächtige schon dafür sorgen, dass er rechtzeitig zurückkommt, um dich aus dem Zwiespalt zu erlösen.«
Der Mann betrachtete selbstgefällig seine mit Ringen geschmückte Hand und ließ dann seine kalten Blicke über Marthe wandern. »Sei unbesorgt. Solange du nicht aus sündiger Wollust heiratest, sondern aus Gehorsam gegenüber deinem Herrn, hast du nichts zu befürchten und wirst Gnade vor Gottes Augen finden.«
Lässig wedelte er mit der Hand, zum Zeichen, dass die Audienz beendet war. Wankend erhob sich Marthe und ging hinaus.
Es gab kein Entrinnen. Ihrer letzten Hoffnung beraubt, suchte sie nach Susanne, um sich bei der einzigen Freundin, die sie derzeit hier am Hofe hatte, die Augen auszuweinen.
Einen Tag vor der Hochzeit traf Markgraf Dietrich mit größerem Gefolge auf den Burgberg ein. Bevor er den Kaiser auf denItalienfeldzug begleitete, wollte er die Schwertleite seines Sohnes feiern, der mit ihm gekommen war. In drei Tagen sollte Konrad Ritter werden – vor der Zeit, üblicherweise geschah dies erst im Alter von zwanzig Jahren, aber die Lage erforderte, dass Dietrichs Sohn als Mann zurückblieb, während sein Vater in den Krieg zog.
Zu der feierlichen Zeremonie und dem danach angesetzten Turnier trafen schon seit Tagen immer mehr Gäste auf dem Burgberg ein.
Bald nach seiner Ankunft ließ Dietrich Marthe in den Palas rufen. Neben ihm saßen Hedwig und Konrad, der Marthe fassungslos ansah.
»Ich bedaure zutiefst Euren Verlust«, sagte Dietrich, während sich sein Gesicht verdüsterte. »Ritter Christian war ein tapferer Mann von edler Gesinnung. Es gibt nicht viele wie ihn.«
Marthe senkte den Kopf, um zu verbergen, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten.
Dietrich gehörte zu den wenigen, die wussten, dass Marthe über die Gabe des zweiten Gesichtes verfügte. »Besteht noch Hoffnung?«, fragte er leise.
Langsam hob sie den Kopf. »Ich kann nicht glauben, dass er tot ist.«
»Könnt Ihr nicht oder wollt Ihr nicht?«, fragte Dietrich, und seine Worte hatten nichts Strenges an sich, sondern waren Ausdruck seiner eigenen Hoffnung.
»Ich will nicht«, antwortete sie leise. »Aber so viel Zeit ist vergangen … Mit jedem Tag, der vergeht, stirbt ein Stück von mir … Und Euer Bruder hat befohlen, dass ich morgen wieder heirate.«
Überrascht sah Dietrich auf. »Wen hat er für Euch ausgewählt?«
Als Marthe die Stimme versagte, kam ihr Hedwig zu Hilfe. »Ritter Ekkehart.«
Nun drückte sich fast so etwas wie Widerwillen in Dietrichs bis eben noch mitfühlenden Zügen aus. »Ihr heiratet Randolfs Freund?«
»Ich musste es schwören. Das ist der Preis für Frieden in unserem Dorf«, sagte Marthe mit gesenktem Kopf.
Dietrich räusperte sich. »Ich verstehe.«
Er schwieg einen Augenblick, dann fuhr er fort: »Ich bewundere Euren Mut. Wärt Ihr ein Ritter, würde ich sagen, ihr verhaltet Euch wie ein Mann von Ehre.«
Er wandte sich an seinen Sohn. »Du solltest die Dame Marthe in die Kirche begleiten und mit ihr für Christians Seelenheil beten.«
Wortlos erhob sich Konrad.
Dietrich ließ seinen Blick auf Marthe ruhen, bis sie die Halle verlassen hatte, dann sagte er leise zu Hedwig. »Sie hätte wirklich ein besseres Schicksal verdient. Wie du auch.«
»Während der Hochzeit wird er mit den
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