Die Spur der Hebamme
prächtigste Kirche auf, die er finden konnte.
Die Abendmesse musste gerade zu Ende sein. Überwiegend gutgekleidete Bürger traten aus dem Gotteshaus und warfen den Bettlern, die in großer Zahl vor dem Eingang warteten, Münzen zu. Zwei Mägde kamen und teilten körbeweise mit Bratensaft durchtränkte Brotscheiben aus, die zuvor als Unterlage für ein üppiges Mahl gedient hatten.
Lukas zwängte sich durch den Strom der herauseilenden Menschen. Die Kirche hatte sich inzwischen fast völlig geleert bis auf ein paar einzelne Männer und Frauen, die vor Altären in den Seitennischen beteten.
Er entzündete eine Kerze und schritt zu einem Altar mit einem farbenprächtigen Bild des Drachentöters. Dort kniete er nieder und senkte den Kopf. Heiliger Georg, Schutzpatron der Ritter, hilf mir, einen tapferen Mann zu retten, den du gewiss gern an deiner Seite hättest. Er hätte es gewagt, gegen den Drachen anzutreten. Doch seine Gegner zeigen sich nicht im offenen Kampf. Hilf mir, ihn zu finden und zu befreien, und ich werde damit noch eine gequälte Seele aus großer Not retten können. Die Frau, die ich liebe und die doch nie einen anderen lieben wird als ihn.
Als er die Kirche verließ, war es bereits fast völlig dunkel. Er musste sich beeilen, wenn er noch ein Quartier finden wollte, in dem er auch seine Pferde unterstellen konnte.
Deshalb ritt er zurück in eines der Viertel nahe der Stadtmauer. Das dicht am Wendentor gelegene Wirtshaus, das er auswählte – weder zu vornehm noch so heruntergekommen, dass er in der Nacht um seinen Besitz fürchten musste –, wurde zu seiner Überraschung von einer noch jungen, energischen Wirtin geführt.
»Ich will meine Pferde für drei Tage bei dir lassen«, stellte er ihr in Aussicht. »Versorge sie gut, dann werde ich dich auch gut entlohnen.«
Die Wirtin, zufrieden mit seiner Anzahlung – vielleicht war sie dergleichen von solch vornehmer Kundschaft nicht gewöhnt –, versicherte ihm, er könne seine Pferde beruhigt bei ihr lassen. Sie forderte ein paar Gäste in der brechend vollen Schankstube auf, gefälligst zusammenzurücken und Platz zu machen für den edlen Herrn, dann brachte sie ihm unaufgefordert Bier und ein gebratenes Hähnchen.
Ein gutgenährter Mann, vielleicht ein Böttcher wegen der Späne auf seinem Kittel und des Rauchgeruchs, der aus seinen Kleidern und Haaren stieg, wollte protestieren, doch die Wirtin wies ihn zurecht. »Du kannst warten, bist sowieso schon fett genug. Aber der junge Ritter hier, der sieht aus, als wenn er einen weiten Weg hinter sich hat. Ihr nehmt mir das doch nicht übel, Herr?«, fragte sie vorsichtig.
Lukas hob abwehrend die Hände. Vielleicht hätte er doch als einfacher Soldat hier auftauchen sollen. Aber dann hätte es Verdacht erregt, dass er zwei Pferde mit sich führte. Zum Glück schienen hier fast ausschließlich Handwerker zu verkehren und niemand aus dem Burgbezirk.
Das Hähnchen schmeckte ausgezeichnet. Erst jetzt merkte er, wie ausgehungert er war. Solange er unterwegs gewesen war, hatte er zumeist von kargen Rationen gelebt, um nicht noch mehr Zeit mit der Suche nach einer Garküche oder einem Wirtshauszu verlieren. Ohnehin hatte ihn der größte Teil des Weges durch einsame Wälder geführt.
Während er aß und trank, beobachtete er, wie die resolute Wirtin, die von allen Maria gerufen wurde, ihre Kundschaft gewitzt in Schach hielt. Den Reden der Gäste nach war sie erst unlängst verwitwet, auch wenn sie dieser Umstand anscheinend eher befriedigte als betrübte. Noch bevor er mit dem Essen fertig war, bekam sie ein halbes Dutzend lautstark vorgetragener Heiratsanträge, die meisten davon offenkundig nicht zum ersten Mal, und lehnte jeden mit einem kecken Spruch ab, der die gesamte Kundschaft – die Heiratswilligen eingeschlossen – zum Lachen brachte.
Als sie sah, dass Lukas fertiggegessen hatte und nichts mehr trinken wollte, wischte sie sich die Hände an ihrer Schürze ab und erbot sich, ihm eine Kammer zu zeigen, in der er übernachten konnte.
Sie schickte eine Magd nach einem Krug Wasser und einer Schüssel, damit der junge Edelmann sich waschen könne, und breitete eigens für den blonden Ritter ein Laken über dem Strohsack aus.
»Ich kann nicht lange wegbleiben, Ihr seht ja selbst, was unten los ist«, meinte sie entschuldigend. »Aber wenn es Euch an etwas fehlt, lasst mich rufen.«
»Ich brauche jemanden, der mir einen Verband wechselt«, sagte er.
»Dann bringe ich gleich sauberes
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