Die Spur der Hebamme
so?«
Ein Fremder rempelte Lukas an, der reflexartig zum Schwert greifen wollte und sich im letzten Moment besann. Er trat hier schließlich nicht als Ritter auf, sondern als jemand, der um eine Anstellung als Wachsoldat nachsuchen wollte.
»Sind die echten Bestien auch so groß?«, fragte er den Mann und spielte den andächtig staunenden Fremden.
»Dreimal größer«, behauptete der andere. »Bist wohl nicht von hier?«
Lukas gab ein dümmliches Grinsen von sich. »Nee. Gerade eingetroffen. Such ’ne neue Anstellung.«
»Auf der Burg? Als Wache?«, erkundigte sich der andere, nachdem er Lukas’ Aufmachung gemustert hatte.
»Genau. Kannst du mir helfen, da unterzukommen?«
Der Rempler gab sich großzügig. »Klar, ich bring dich zum Hauptmann. Aber das kostet dich was.«
»Wenn’s klappt, trinken wir ein Bier auf meine Kosten.«
»Na, dann komm mal mit!«
Der Hauptmann der Wache musterte Lukas mit skeptischem Blick. »Warum bist du entlassen worden?«, wollte er wissen.
»Hab mich selbst entlassen«, gab Lukas Auskunft. »Mein Herr ist gestorben, Gott sei seiner Seele gnädig. Irgend so eine tückische Krankheit. Leibschmerzen, Fieber, und schon war er tot. Und jetzt regiert die Witwe auf der Burg. Würdet Ihr Euch von einem Weib befehlen lassen? Das kann nie und nimmer gutgehen.«
Verständnisvoll stimmte der Hauptmann ihm zu. Dann rief er einen seiner Leute heran, einen Kerl mit breiten Schultern und Beinen wie Baumstämmen.
»Das ist meiner bester Mann. Wenn du länger als zwanzig Haue gegen ihn durchhältst, nehme ich dich unter meinen Leuten auf.«
Lukas nickte.
Sein Kontrahent grinste ihm zu, wobei er etliche Zahnlücken entblößte. »Lass mal sehen, Bürschlein, ob du das Schwert überhaupt halten kannst!«
Schon holte er aus zu einem wuchtigen Oberhau, aber Lukas parierte, griff seinerseits an, wurde wieder angegriffen und wehrte erneut ab.
Siebzehn, achtzehn, neunzehn, zählte er mit, bestrebt, weder zu viel noch zu wenig von seinem Geschick zu zeigen, um keinen Verdacht zu erwecken. Mit dem zwanzigsten Hieb entwaffnete er den Breitschultrigen, der ihn daraufhin verblüfft anstarrte.
»Tut mir leid«, meinte Lukas versöhnlich. Er musste die Probezwar eindeutig bestehen, durfte sich den anderen aber nicht zum Feind machen.
»Es tut ihm leid!« Der Hauptmann grinste und begann zu lachen. Die anderen fielen ein, auch der Mann, den Lukas besiegt hatte.
Der kam auf ihn zu und klopfte ihm auf die Schulter. »Das wird dir schon noch leid tun, Bursche«, meinte er grinsend, doch ohne Boshaftigkeit. »Wenn du deine Zeit erst bei Humbert absitzt.«
»Am liebsten würde ich dich gleich zu meinen Leuten hier draußen nehmen«, erklärte der Hauptmann. »Aber bei uns gibt es ein ungeschriebenes Gesetz: Jeder Neue schiebt erst einmal einen Monat lang Wache bei den Gefangenen.«
Besser hätte es nicht gehen können, dachte Lukas und richtete ein stummes Dankgebet zum Himmel.
Er hatte fest darauf gehofft, dass man ihn für die Bewachung der Gefangenen einteilen würde. Das waren überall die unbeliebtesten Dienste: eintönig, man hockte ständig im dunklen, muffigen Keller und musste gelegentlich oder öfter – je nach Veranlagung des Kerkermeisters – auch noch die Schmerzensschreie der Gefangenen ertragen. Aufgebessert wurde dieser öde Dienst nur durch die Gelegenheit, heimlich Bestechungsgelder einzunehmen von Leuten, die hier ihre Verwandten besuchen und ihnen ein besseres Essen als die Kerkerkost bringen wollten. Ansonsten rissen sich um diesen Dienst nur jene verrohten Gestalten, die ihren Spaß daran hatten, wehrlose Opfer zu quälen.
Jemand führte ihn in die Wachstube am Eingang zu den Gefangenenverliesen. Dort hockten drei Männer beieinander und würfelten.
»Hier, der Hauptmann schickt euch einen Neuen«, erklärte Lukas’ Begleiter.
»Das trifft sich gut. Morgen ist Vollmond«, meinte einer von ihnen, ein Grauhaariger mit struppigem Bart.
»Wieso? Was gibt es hier bei Vollmond?«, fragte Lukas beiläufig.
»Nichts Besonderes«, beeilte sich der Grauhaarige zu versichern. »Wirst schon sehen. Setz dich her und spiel mit.«
»Hab aber nicht viel Geld«, wandte Lukas ein.
»Na und – entweder hast du heute Abend gar keines mehr oder doppelt so viel. Hier brauchst du keines. Ich zeig dir später, wo du schläfst.«
Lukas saß wie auf glühenden Kohlen, während er den halben Tag beim Würfelspiel mit den anderen Wächtern verbrachte. Gelegentlich versuchte er, die
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