Die Spur der Hebamme
heftig.
»Darauf lasse ich es ankommen. Lieber sterbe ich, als eine Chance zu vertun, Marthe wiederzufinden.«
Er schwang sich in den Sattel und preschte los.
Lukas biss sich auf die Lippen, dann winkte er Peter heran.
»Bist du mutig genug für ein kleines Abenteuer?«
Der Junge grinste ihn an und entblößte dabei zwei Zahnlücken.
»Klar doch.«
»Schleich hinterher und versteck dich hinter einem Baum, damit du beobachten kannst, was geschieht.«
Peter wollte schon losstürzen, aber Lukas griff nach seiner Schulter und hielt ihn kurz zurück. »Sei vorsichtig! Niemand darf dich sehen, auch dein Herr nicht. Und du musst genauso unbemerkt wieder zurückkommen.«
Peter nickte und rannte los.
Lukas hingegen blieb bei den Ställen und sah ihm nach, hin und her gerissen zwischen Hoffnung und Sorge. Er würde sich nicht von der Stelle rühren, bis er wusste, was da gespielt wurde.
Über die Bodensenken zogen kräftige Nebelschwaden und verliehen dem Landstrich etwas Unheimliches. Doch Christian ignorierte das. Alles ihn ihm drängte danach, etwas von Marthe zu hören. Er wollte die Hoffnung nicht aufgeben. Und wenn er wieder enttäuscht werden sollte, kümmerte ihn der Tod nicht mehr.
In dem Wäldchen, in das die Schweine zur Mast getrieben wurden, herrschte nur noch Dämmerlicht. So erkannte er erst auf wenige Längen Entfernung, wer ihn erwartete.
Bei Ekkeharts Anblick zog er mit einer schnellen Bewegung sein Schwert, denn nun war er sicher, dass ihn ein Hinterhalt erwartete. Er wollte sein Leben so teuer wie möglich verkaufen.
Doch Ekkehart hob beschwichtigend eine Hand, ohne nach seiner Waffe zu greifen. »Ich bin allein. Ich bringe Nachricht von deiner Frau.«
Christian starrte ihn aus trockenen Augen an, bis ins Tiefste getroffen. Würde er nun erfahren, wo Marthes Leichnam begraben war?
Er senkte sein Schwert und ritt näher heran, bis ihre Pferde dicht beieinanderstanden.
Ekkehart führte ein zweites gesatteltes Pferd, einen unauffälligen Braunen.
»Sie lebt.«
Chrisian glaubte, sein Herzschlag würde für einen Augenblick aussetzen. »Wo?«, fragte er atemlos.
»In meiner Obhut.«
»Du hältst sie gefangen?«, fuhr Christian auf und hob erneut das Schwert.
»Sie ist mein Gast.«
In knappen Worten berichtete Ekkehart dem misstrauisch lauschenden Christian. »Ich durfte dir nicht früher Nachricht geben. Ihr Leben hing davon ab, dass du sie glaubwürdig suchst. Erst jetzt habe ich erfahren, dass die Anklage gegen sie fallengelassen wurde.«
»Warum solltest du das tun? Was versprichst du dir davon? Oder Randolf?«
»Ich bin Randolf keine Rechenschaft schuldig, wenn ich eine alte Schuld einlöse«, entgegnete Ekkehart scharf. »Deine Frau hat mir einst das Leben gerettet, als mich ein Bär bei der Hatz nahe deinem Dorf verletzt hatte.«
»Dann stehe ich in deiner Schuld«, brachte Christian mühsam hervor. »Kann ich zu ihr? Kann ich sie sehen?«
»Ja. Aber sie ist sehr krank.«
Wohlweislich verschwieg Ekkehart, dass sich Marthes Zustand wieder bedrohlich verschlimmert hatte, nachdem Randolf auf seine Burg gekommen war und sie sich nachts mit aller Kraft wachgehalten hatte, während er in ihrer Kammer schlief.
»Die erfahrenste weise Frau aus meinen Ländereien hat sie gepflegt. Doch sie sagt, Marthe hat keinen Lebenswillen mehr. Sie meint, vielleicht würde es ihr helfen, dich zu sehen.«
»Reiten wir zu ihr?«, drängte Christian.
»Nicht mit deinem Grauschimmel. Bring ihn zurück und nimm den Braunen hier. Ich will nicht, dass jemand am Pferd erkennt, wer bei mir ist.«
Er drückte Christian die Zügel des zweiten Pferdes in die Hand. »Ich warte hier.«
Als Christian wendete, rief Ekkehart ihm nach: »Niemand darf erfahren, dass ich in die Sache verwickelt bin. Auch niemand von deinen Leuten. Also denk dir eine gute Erklärung dafür aus, wieso sie auf einmal wieder auftaucht und wie sie aus dem Kerker verschwunden ist.«
»Du hast mein Wort, wenn du mich wirklich zu ihr führst«, erklärte Christian, der immer noch Mühe hatte, an dieses wahrhaftige Wunder zu glauben.
Doch was Ekkehart über die weise Frau gesagt hatte, machte für ihn die Sache ein Stück wahrscheinlicher. Es erinnerte ihn an die Zeit, als sein Freund Raimund auf den Tod krank in Christiansdorf lag und Marthe sich am Ende ihrer Kunst sah. Damals hatte sie gedrängt, Raimunds Frau Elisabeth zu holen, der er sehr zugetan war, damit sie seine Seele zurückrief, die sich davonstehlen wollte.
So etwas
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