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Die Spur der Kinder

Titel: Die Spur der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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vor dem Bauch und musste würgen.
    Als Piet Karstens und Frauke Behrendt eine gute Stunde später am Fundort der Leiche im Spreewaldeintrafen, schien es fast so, als hätte sich das halbe Dorf am Ufer versammelt.
    »Karstens mein Name, LKA Berlin«, stellte er sich einem hochgewachsenen, älteren Kollegen der Lübbenauer Polizeidienststelle vor und deutete ein schräges Kopfnicken Richtung Behrendt an. »Meine Kollegin, Frauke Behrendt.«
    »Hannes Jäger«, erwiderte der Riese.
    Behrendt, die schon Piet Karstens kaum bis zur Schulter reichte, legte ihren Kopf in den Nacken, um Jäger anzusehen.
    »Die Leiche des Mädchens liegt da hinten«, erklärte Jäger und zeigte in Richtung des Menschenauflaufs am Ufer.
    »Ach echt, da wär ich jetzt gar nicht drauf gekommen«, meinte Behrendt patzig und stiefelte voran.
    Karstens starrte ihr einen Augenblick lang irritiert nach, bevor er sich Jäger wieder zuwandte.
    »Okay, ist gut, danke«, sagte er, bemüht, das Verhalten seiner Kollegin mit einem höflichen Lächeln zu entschuldigen. »Ach, sagen Sie: Wo ist eigentlich der Mann, der das Mädchen gefunden hat?«
    »Sitzt da hinten, bei den Kollegen der Wasserschutzpolizei«, erwiderte Jäger und streckte seinen langen Zeigefinger zum hinteren Teil der Böschung aus. »Kalle«, er räusperte sich, »Karl-Heinz Schröder ist der da mit dem Schlapphut. Der mit dem Dinosaurierin der Hand. Kalle war mit seinem alten Vater angeln, als er das Mädchen im Schilf fand. Ist noch immer ganz fertig. So was kommt hier schließlich nicht alle Tage vor.«
    Karstens nickte bedacht. Dann folgte er Frauke Behrendt, die Mühe hatte, sich durch die Menge Schaulustiger zu schlängeln. Sie passierten die Polizeiabsperrung. Unweit dahinter lag der Leichnam des Mädchens. Piet Karstens ging neben der Toten in die Hocke und zog die weiße Plastikabdeckung beiseite, woraufhin hinter ihm ein Aufstöhnen durch die Menschenmenge ging.
    »Sieht nicht älter aus als achtzehn oder neunzehn«, schätzte Karstens und stellte unweigerlich fest, dass ihm der Anblick von ausgelöschtem Leben selbst nach einem Jahrzehnt bei der Kripo noch immer auf den Magen schlug.
    Behrendt, die sich die ganze Zeit über ein Taschentuch vor Mund und Nase hielt, nickte bloß.
    »Sieh mal, die Wunde da am Bauch«, stellte Karstens fest und zog ein Paar Untersuchungshandschuhe aus der Innentasche seines Jacketts.
    Angewidert verzog Behrendt das Gesicht. »Was zum Teufel ist das?«
    Karstens schob die Bluse des Mädchens bis zum Brustansatz hoch. »Sieht aus wie ein Kreuz, das ihr mit einem scharfen Gegenstand in den Bauch geritzt wurde. Könnte auf einen Ritualmord hindeuten.«
    »Gutmöglich«, stimmte Behrendt hinter ihrem Taschentuch zu.
    Nachdenklich kaute Karstens auf seiner Unterlippe. »Ihrem Äußeren nach zu urteilen, dürfte sie schon ’ne ganze Weile im Wasser gelegen haben. Könnte von irgendwoher angespült worden sein«, mutmaßte er und deutete mit dem Zeigefinger auf die dunklen Verfärbungen im Gesicht der Toten. Dann drehte er vorsichtig die Handinnenflächen des Mädchens nach oben. »Und sieh mal die Hautabschürfungen hier – sieht nach Schleifspuren aus.«
    Behrendt seufzte. »Mag sein, trotzdem hat das hier reichlich wenig mit unserem Fall zu tun.« Sie straffte sich. »Komm, lass uns gehen«, sagte sie und deutete mit dem Kopf zu den Beamten der Lübbenauer Polizei. »Sollen die die Leiche doch erst mal in die Pathologie schaffen. Dann haben die endlich mal was zu tun …«
    »Sag mal Frauke, welche Laus ist dir heute eigentlich über die Leber gelaufen?«
    Behrendt verdrehte die Augen. »Jetzt fang du nicht auch noch an«, maulte sie und packte ihr Taschentuch weg.
    »Ich frag ja nur«, meinte er achselzuckend. »Stress mit Astrid?«
    Sie stemmte die Hände in die Hüfte. »Josh hat sich gemeldet.«
    »Josh? Etwa dieser Galerist, wegen dem du dich letztes Jahr nach Berlin hast versetzen lassen?«
    Behrendtbiss sich auf die Unterlippe und nickte zögerlich.
    »Aha«, schmunzelte Karstens.
    Für ihn war es Herausforderung genug, das andere Geschlecht zu verstehen. Dass es seine Kollegin aber dann und wann fertigbrachte, es sich mit beiden Ufern zu verscherzen, erschien ihm fast schon wie ein kleines Kunststück.
    »Wir haben uns gestern getroffen und ein bisschen geredet und so …«, gab Behrendt kleinlaut
zu.
    »Geredet?« Karstens erhob sich. »Lass mich raten: Und weil ihr nur geredet habt, ist Astrid jetzt stinksauer?«
    »Ach, ihr könnt mich

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