Die Spur der Kinder
Fingern.
Adrian lächelte nur trocken, als er mit der nächsten Flasche Wein und einem neuen Tetrapak Traubensaft zurück an Deck kam.
»Ich sehe was, was ihr nicht seht!«, meinte Theresaund lief in großen Schritten auf Rolf zu. Sie hielt sich an einem Tau fest und zeigte gen Himmel.
»Da, eine dunkle Wolke.«
»Ach, quatsch, da hinten zieht’s nur ein bisschen zu, mehr nicht«, winkte Rolf ab und zwickte Theresa neckisch in die Seite.
Reichlich übertrieben, wie Fiona fand. Überhaupt gingen ihr Theresas überschwenglicher Enthusiasmus und Rolfs Plattitüden gehörig auf die Nerven. Und mit einem Mal kam es ihr so vor, als ob Theresas Lächeln irgendwie aufgesetzt wirkte.
Adrian reichte Rolf ein weiteres Glas Wein. Ebenso Theresa, die sogleich die Hände hochriss.
»Nein, nein, danke. Ich bleibe bei Traubensaft – ich, äh, vertrage keinen Alkohol, wenn alles so schwankt und so …« Sie lachte verlegen.
Doch Adrian ließ nicht locker. »Na komm, ein Schlückchen wirst du doch wohl verkraften. Ist ein erstklassiger Grand Cru und eine der letzten Flaschen des Jahrgangs.«
»Lass sie doch«, meinte Fiona streng und warf Adrian einen vernichtenden Blick zu. Was soll das, Adrian? Du weißt ebenso gut wie ich, dass Theresa nicht mehr trinkt.
»Ich frag ja nur«, grinste er zufrieden.
»Wie lange kennt ihr euch eigentlich schon?«, fragte Theresa wie aus heiterem Himmel. Die Frage klang wie eine Revanche.
»Vielleichtfünf Jahre«, überlegte Fiona.
»Ach, doch schon so lange.« Theresa sah Adrian eindringlich an. »Und wo habt ihr euch kennengelernt?«
Fiona räusperte sich. »Ich habe mich damals eher zufällig in einen kleinen Weinladen am Ende der Torstraße verirrt. Und da stand Adrian plötzlich vor mir.«
Theresa nickte.
»Und dieser Weinladen, was ist daraus geworden?« Die Frage galt Adrian.
Er seufzte. »Ach weißt du, manchmal laufen die Dinge im Leben eben anders als geplant«, meinte er mit verschränkten Armen.
Theresa lächelte. Und Fiona glaubte ihr anzusehen, dass in ihrem Lächeln etwas Schadenfrohes lag.
»Ist das zu fassen? Ich hab doch tatsächlich einen Regentropfen abbekommen!«, durchbrach Rolf das entstandene Schweigen.
»Stimmt, ich auch«, stellte Fiona fest und sah zum Himmel.
Die Wolken hatten sich verdichtet. Der einsetzende Nieselregen wurde schlagartig stärker.
»Na, dann essen wir die Sandwiches eben in der Kajüte«, meinte Fiona.
»Die Idee hätte von mir sein können«, scherzte Rolf und folgte ihr unter Deck.
Theresa drehte sich noch einmal nach Adrian um,der sich ein Regencape übergezogen hatte und hinter dem Steuer geblieben war. »Vom Tellerwäscher zum Millionär …«, sagte sie gehässig, jedoch so leise, dass die anderen es nicht mitbekamen. »Die Yacht, der Jaguar, die schicke Wohnung – lebt sich sicher nicht schlecht an der Seite einer reichen Tussi, die brav alle Rechnungen bezahlt, was?«
»Ach, Theresa, du wirst dich wohl nie ändern …«, stöhnte Adrian und blickte aufs Wasser, »man könnte fast meinen, du bist eifersüchtig …«
»Eifersüchtig? Ts, mach dich nicht lächerlich.« Sie sprach die Worte lauter aus, als sie sie sagen wollte.
Adrian sah sie ernst an. »Eins sage ich dir: Wenn du glaubst, du kannst dich hier an meinen Freund ranschmeißen und einfach so in meinem Leben auftauchen, dann …«
»Dann was?«, unterbrach Theresa ihn mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Ich warne dich, Theresa, wenn du dich nicht von Fiona fernhältst, wird dir das noch leidtun.«
***
(Berlin,Sankt-Marien-Krankenhaus)
Piet Karstens saß im Wartebereich und sah über den Krankenhauskorridor zu den automatischen Doppeltüren, durch die Doktor Matern jeden Moment kommen würde, um ihm ein weiteres Mal Auskunft über Maria Garcías Zustand zu geben. Karstens stützte seine Ellenbogen auf die Knie und fixierte die vorbeilaufende Stationsschwester.
»Und?«, fragte er nach.
Seufzend strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich sagte Ihnen doch schon, Doktor Matern wird Ihnen Bescheid geben, sobald er aus dem OP kommt.« Sie hob die Schultern. »Grundsätzlich ist es bei Komapatienten natürlich schwer zu sagen, ob sie überhaupt jemals vernehmungsfähig sein werden … Offen gestanden, ich würde mir an Ihrer Stelle nicht allzu große Hoffnungen machen.«
»Hm«, brummte Karstens und nickte enttäuscht.
Die Schwester musterte ihn kurz und warf einen flüchtigen Blick in Garcías Akte.
»Sie haben Frau García also
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