Die Spur der Kinder
Kapitel fertig. Den Spargel essen wir, wenn ich morgen wiederkomme«, meinte er achselzuckend und ging aus der Tür.
Fiona hörte ihn hektisch durch die Wohnung laufen, bevor er mit seiner Reisetasche in der Hand wieder in der Tür erschien und Fiona mit einem flüchtigen Kuss verabschiedete.
***
(EinhundertKilometer von Berlin entfernt)
»Was ist mit den Kindern?«, krächzte Sascha Funk. »Sind die auch auf einem Ihrer abartigen Videos verewigt?«
»Die Kinder, die Kinder – immer geht’s nur um die Kinder! Wie oft denn noch: Ich darf die Kinderchen nicht anrühren!«, jammerte der Mann, bevor er das Band weiterlaufen ließ und zu seiner gewohnten Härte zurückfand. »Pass auf – jetzt kommt das Beste!«
Funk kannte die junge Frau auf dem Band aus jüngsten Zeitungsberichten. Auch sie war als vermisst gemeldet worden.
Wie alle Opfer war sie aufgefordert worden, ihren Namen in die Kamera zu sprechen.
»Ich heiße Anne Lemper«, brachte sie schluchzend hervor.
Szenen später versuchte Anne, sich an den Brettern hochzustemmen, um über eine Leiter an der Wand an die Deckenluke zu gelangen.
Amüsiert lachte der Mann neben Funk auf, als Annes Fluchtversuche kläglich scheiterten und sie schließlich zu Boden stürzte. Dann spulte er weiter zu jener Szene, an der wieder einmal er selbst in Erscheinung trat. Erneut kam Sascha Funk die Galle hoch, als er mit ansehen musste, wie der Mann sich vor die junge Frau kniete, die hilflos in dem Trümmerhaufen aus Brettern feststeckte, und ihretwas in den Bauch ritzte. Die Frau gab keinen Mucks von sich.
Das änderte sich, als der Mann seine Hose aufknöpfte: Anne schrie vor Angst, während er ihr ins Gesicht schlug, ihre schmalen Handgelenke umgriff und ihre Beine gewaltsam spreizte. Verzweifelt versuchte Anne, sich zu wehren, und wand sich mit aller Kraft zwischen splittrigem Holz und Stacheldraht. Sie hatte keine Chance. Mit seinem ganzen Gewicht stemmte sich der Mann zwischen ihre Beine und drang im nächsten Moment gewaltsam in sie ein. Anne stieß einen gellenden Schrei aus und starrte mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen zur Decke, während sich der blanke Hintern des Mannes zwischen ihren Beinen immer schneller hob und senkte. Sein schweres Schnaufen ging in ein stoßartiges Röcheln über, das Augenblicke später seinen Höhepunkt fand und langsam wieder verebbte.
Eine Zeitlang lag der schwitzende Kerl noch wie ein schlaffer Sack auf der jungen Frau, bevor er der Kamera ein erleichtertes und zugleich schadenfrohes Grinsen schenkte.
»Schau hin, hab ich gesagt!«, schrie er, nachdem Funk seinen Blick abermals gequält abgewandt hatte. »Du willst das Beste doch nicht verpassen, oder?«
Benommen sah Funk wieder Richtung Fernseher, darauf gefasst, dass die nachfolgenden Szenen allesBisherige an Grausamkeit noch übertreffen würden. Doch plötzlich erspähte er etwas im Hintergrund des verwackelten Bildes, das seinen Herzschlag kurzzeitig gefrieren ließ: ein riesiger Haufen Kinderschuhe.
Gütiger Gott.
Das mussten mindestens ein Dutzend Paar Schuhe sein – es ging offenbar um weitaus mehr Kinder, als die Polizei bislang angenommen hatte.
***
(In Berlin)
Gegen Viertel vor neun hielt das Taxi vor einem sechsstöckigen Betonklotz. Fiona trat auf die Straße und betrachtete die Hauseingänge, von denen trotz der schrillen Graffiti, die von den Wänden schrien, einer grauer aussah als der andere.
»Ihre Tüte!«, rief der Taxifahrer noch.
»Ach ja, sicher. Danke«, meinte Fiona und nahm die Tüte mit dem Essen, das sie zuvor beim Koreaner geholt hatte, von der Rückbank. Dann steuerte sie auf den Eingang 114 c zu.
Eine junge Frau mit Zahnspange manövrierte umständlich einen Kinderwagen aus dem Hausflur. Fiona hielt ihr die Tür auf und lief mit großen Schritten die Treppen hinauf. Im Flur roch es nachscharfen Reinigungsmitteln. Im vierten Stock blieb sie vor einer verblichenen Garfield-Fußmatte stehen und klingelte bei Theresa Parloff.
Sie wartete einen Moment, doch niemand öffnete. Momente später versuchte sie es erneut. Abermals ohne Erfolg.
Nun mach schon auf, Theresa, lass mich nicht den ganzen Weg umsonst gemacht haben.
Doch auch nach dem dritten und vierten Läuten stand Fiona noch immer vor verschlossener Tür. Sie nahm ihr Handy zur Hand und wählte Theresas Nummer. Ein Freizeichen. Doch niemand hob ab.
Na, herzlichen Dank, da hätte ich auch in aller Ruhe am Roman weiterschreiben können.
Fiona wollte gerade umkehren, als
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