Die Spur der Schuld - Private L.A.: Thriller (German Edition)
Tommy und ich liebten einander immer noch. Dieser Moment zwischen uns war unbeschreiblich.
Ich wollte sagen, dass es gut getan hätte, endlich aussprechen zu können, was passiert war, doch er ergriff zuerst das Wort.
»Na, das ist doch was! Und Dad dachte, du wärst perfekt. Ich glaube, da hatte er Unrecht, Bruderherz. Du bist alles andere als perfekt.«
Tommy hatte mich zum Narren gehalten. Und jetzt stieß er die Klinge noch tiefer. In plötzlicher Wut schob ich ihn mit aller Kraft von mir fort. Er knallte gegen ein Bücherregal und rutschte auf den Boden.
»Was müssen Sie sonst noch wissen, Dr. McGinty?«, fragte ich. »Ich denke, Sie haben genug gehört.«
Dann verließ ich die Klinik.
88
Mir ging es wirklich miserabel. Ich fühlte mich von meinem Bruder verraten. Von Wut betäubt, nahm ich kaum die Schilder wahr, als ich auf den Freeway bog. Die Geschwindigkeit gab mir das Gefühl der Flucht, doch meine Gedanken kreisten wie ein Habicht auf Drogen. Ich konnte fortrennen, mich aber nicht vor dem Schuldgefühl verstecken, das ich Jeff Albert gegenüber hatte. Ich wusste, dass ich mir eigentlich keine Schuld geben konnte, doch das half mir kein bisschen.
Ich nahm die Abfahrt Carrillo Street in Santa Barbara und fuhr wieder auf die 101, diesmal nach Süden Richtung L. A.
Ich schob mein Telefon in die Halterung und rief Justine an. Der Klang ihrer Stimme über Lautsprecher trieb mir die Tränen in die Augen. »Jack, bist du auf dem Weg ins Büro? Ich würde dir gerne das Neuste erzählen.«
»Hast du Zeit, mit mir einen Kaffee zu trinken?«, fragte ich. »Ich muss mit dir über eine Sache reden.«
»Äh, okay. Wir treffen uns im Rose. Willst du mir etwa deine Geheimnisse verraten?«
»Hey, man weiß nie. Es sind schon komischere Dinge passiert.«
»Aber nicht mit dir«, konterte sie.
Wenn ich mit Justine Kaffee getrunken hatte, war nie etwas Schlimmes passiert. Obwohl ich mich nicht erinnern konnte, dass sie jemals nicht für mich da gewesen wäre.
Im Café Rose war früher das Büro eines Gasunternehmens untergebracht gewesen. Die Fenster waren mehrfach verglast, die Räume mit Deckenbalken durchzogen. Es gab eine eigene Bäckerei und Tische in der Größe von Pizzen, die alle besetzt waren. Es roch nach Apfel-Zimt-Pfannkuchen.
Justine wartete an ihrem Lieblingstisch im hinteren Bereich. Sie trug eine schwarze Hose und eine perlmuttfarbene Bluse mit Rüschenkragen. Ihr Haar hatte sie mit einem rosafarbenen Band zusammengebunden, das zu ihrem Lippenstift passte.
Sie lächelte mich an und stellte ihre Handtasche auf den Boden, um den Stuhl frei zu machen. »Und wo warst du, als die Erde geniest hat?«, fragte sie.
Ich fühlte mich mit Justine hier im Rose wie in alten Zeiten. Wir hatten immer am Sonntagmorgen hier gesessen, hatten Zeitung gelesen und die Muskelpakete begutachtet, die nach ihrem Training im Gold’s Gym hergekommen waren. Arnold hatte ich oft hier gesehen, und Oliver Stone, dessen Studio nur ein paar Blocks entfernt lag.
Ich erzählte Justine, dass ich im Blue Skies gewesen war, es dort aber nur leichte Schäden gegeben hatte. Das war zwar faktisch richtig, andererseits etwas ungenau ausgedrückt.
Ich wollte ihr den Rest erzählen, wollte, dass sie mir half, mich wieder zu sammeln. Ich hoffte, sie würde an meinen Augen ablesen, wie es mir ging.
»Ich war auf der Fairfax Avenue«, erzählte sie. »Ich fuhr gerade auf die Einkaufsstraße, die vom Olympic Boulevard abgeht. Heiliger Bimbam. Die eineinhalb Minuten haben eine Ewigkeit gedauert.« Sie holte kaum Luft und stellte jetzt ihre Aktentasche auf den Tisch. Jahrbücher kamen zum Vorschein. Sie zeigte mir eine Liste mit Namen und Seitenzahlen. »Ich hoffe, ich liege mit meinem Gefühl nicht falsch, Jack. Einer dieser Jungs könnte unser Mörder sein. Ich treffe mich anschließend mit Christine Castiglia. Sie ist der Schlüssel zum Ganzen, darauf wette ich.«
Justine zeigte mir Bilder von Jugendlichen, die auf Christine Castiglias Beschreibung eines Jungen passten, der Wendy Borman entführt haben könnte. Ich versuchte mich zu konzentrieren, doch meine Gedanken rasten zurück nach Afghanistan. Ich sah Danny und sein Blut, das in meinem Nachtsichtgerät flimmerte. »Danny ist tot!«, schrie Jeff Albert in meinen Gedanken.
»Ist mit dir alles in Ordnung?«, fragte Justine endlich. »Und mit Tommy? Es ist was passiert, stimmt’s?«
»Ihm geht’s gut. Aber ich…« Ich spürte, wie mir Wärme ins Gesicht stieg. »Ich habe mich
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