Die Spur der Schuld - Private L.A.: Thriller (German Edition)
zusammengekommen, doch aufgrund der Enttäuschungen auf beiden Seiten konnten sie nur scheitern. Ein Jahr später war die Beziehung endgültig am Ende, und jetzt hing jeder Gedanke an einen Neuanfang mit dem Wissen zusammen, wie alles enden könnte…
Justine erschrak, als jemand ans Fenster klopfte.
Christine Castiglia, mit blassem Gesicht, in schwarzer Kapuzenjacke und Jeans, blickte nervös die Straße auf und ab, bevor sie die Tür öffnete und einstieg.
»Dr. Smith, ich hatte da so eine Idee. Wir könnten in dieses Café gehen, vor dem ich die beiden Jungs damals gesehen habe«, sagte Christine.
Justine lächelte das Mädchen an. Hoffnung machte sich in ihr breit. »Das ist eine ganz hervorragende Idee.«
90
Hier hatte alles begonnen. Alle Morde hatten hier ihren Anfang gehabt.
Becki’s House of Pie war ein Rattenloch von einem Speiselokal auf der Hyperion Avenue. Es war düster und roch nach Kaffee und dem Desinfektionsmittel, mit dem ein Hilfskellner den Boden schrubbte. An der Wand über der Registrierkasse hing eine elektrische Uhr. Sie tickte laut im Takt des Sekundenzeigers.
Justine fragte sich, was die Schulmädchenmörder genau in diesem Moment, genau in dieser Sekunde taten.
»Hier haben wir gesessen.« Christine zeigte auf eine rote Vinylbank mit einem Tisch, auf dem sich jahrzehntealte Flecken der Tagesgerichte tummelten.
Das Panoramafenster bot einen Blick auf den Mittagsverkehr in beide Richtungen auf der Hyperion Avenue. Ein Motorrad knatterte bei Gelb über die Kreuzung und entfernte sich langsam mit einem fetten Hintern auf dem Sattel.
»Ich saß hier«, erklärte Christine. »Meine Mutter saß dort. Ich sehe es noch vor mir.«
Die Kellnerin hatte dichtes graues Haar und trug eine Schürze über ihrem blauen Samtkleid. Auf ihrem Namensschild stand »Becki«. Sie sah aus, als arbeitete sie bereits seit fünfzig Jahren in diesem House of Pie.
Justine bestellte sich schwarzen Kaffee, Christine einen Thunfischsalat. »Wenn ich ehrlich bin, Dr. Smith«, sagte Christine, »möchte ich nicht, dass jemand Schwierigkeiten bekommt, wenn ich mir nicht sicher bin.«
»Mach dir darüber keine Sorgen, Christine. Dein Wort allein kann niemandem schaden. Wir brauchen immer noch Beweise. Es ist nicht so einfach, jemanden wegen Mordes zu verurteilen.«
Christine deutete auf die Querstraße. »Der Van blieb mitten auf der Straße stehen. Ich sah weg, und als ich wieder hinsah, hievten die beiden Jungs das blonde Mädchen in den Van.«
»Würdest du dir ein paar Bilder anschauen?«
»Klar, wenn das hilft.«
Justine zog die drei schweren Jahrbücher aus ihrer Aktentasche und schob sie über den Tisch.
Sie nippte an ihrem Kaffee und beobachtete Christine, die sich nicht nur die Porträts ansah, sondern auch die Gruppenfotos und Schnappschüsse. Eine ganze Zeitlang betrachtete sie ein Gruppenfoto in Schwarzweiß mit der Überschrift: »Die Mitarbeiter von The Wolverine «.
»Was siehst du?«, fragte Justine schließlich.
Christine stieß mit dem Finger auf einen Jungen, der auf dem Foto in einer Reihe mit neun oder zehn anderen Jugendlichen stand. »Der ist es«, rief sie.
Justine drehte das Buch zu sich herum. In der Bildunterschrift wurden die Mitarbeiter des Jahrbuchs und die Abschlussklassen genannt. Sie verglich die Bildunterschrift mit den Gesichtern der Schüler, dann blätterte sie zu den Porträts des Jahrgangs 2006. Der Junge, auf den Christine mit ihren abgekauten Fingernägeln gezeigt hatte, hatte dunkles Haar, eine Nase, die man als spitz, und Ohren, die man als abstehend bezeichnen konnte.
Plötzlich war Justine so aufgedreht, dass sie das Gefühl hatte, sie könnte den ganzen Osten von L. A. mit Strom versorgen.
War Christines Gedächtnis so gut? Oder versuchte sie nur Justine zu gefallen, wie ihre Mutter gesagt hatte?
»Christine? Es war Abend, oder?«, vergewisserte sich Justine. »Der Van hielt eine Minute lang, und die Jungs haben sich bewegt. Bist du sicher, dass dies der Junge ist, den du gesehen hast?«
Christine war ein aufgewecktes Mädchen und verstand das mögliche Problem auf Anhieb. »Ich habe mir Sorgen gemacht, dass ich ihn nicht wiedererkennen würde. Aber ich erkenne ihn. Wie ich schon bei unserem ersten Treffen gesagt habe, Dr. Smith, sein Gesicht vergesse ich nie.«
»Okay, Christine, tolle Arbeit. Dieses Gesicht hat auch einen Namen: Rudolph Crocker.«
9 1
Anfangs hatte sich Justine gegen Scis Vorschlag gewehrt, einen Computer in das Armaturenbrett ihres
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