Die Spur der Schuld - Private L.A.: Thriller (German Edition)
durch die Landefenster neben meinen Füßen. Ich hatte das Gefühl, alle meine Knochen würden brechen– doch der Hubschrauber war nicht zerborsten. Ich löste meinen Gurt und schüttelte Rick an der Schulter.
Er drehte sich zu mir um und umfasste meinen Arm. »Holprige Landung, Jack. Echt beschissen.«
Der Bordschütze und der Bordmechaniker hechteten hinter mir nach draußen. Rick schob sich zwischen unseren Sitzen hindurch und folgte ihnen die Stufen hinunter in die Nacht.
Ich hätte durchs Fenster aussteigen können, doch ich muss nach hinten gegangen sein, weil das, woran ich mich als Nächstes erinnerte, die völlig zerstörte Ladefläche war. Die Hälfte war von der Rakete abgerissen worden, auf dem Rest stapelten sich tote Soldaten.
Das Horrorszenario, das sich mir bot, war kein Film.
Beim Start zwanzig Minuten zuvor hatten vierzehn Männer Witze gerissen und gejohlt. Jetzt waren sie allesamt auf die linke Seite der Kabine gerutscht.
Danny Young lag, in Blut getränkt, abseits der anderen. Ich tastete nach seinem Puls, doch meine Hände waren taub und zitterten. Ich spürte überhaupt nichts.
Ich rief Dannys Namen, doch er antwortete nicht. Flackerten seine Augenlider? Ich war mir nicht sicher. Stück für Stück zerrte ich Danny hinter mir aus der Ladekabine, hatte ihn bereits auf meine Schultern gehoben, als jemand meinen Namen rief. Ich drehte mich um. Corporal Jeffrey Albert lag weiter hinten in der Kabine, begraben unter seinen toten Kameraden.
Er schrie vor Schmerzen.
Mittlerweile war im Cockpit Feuer ausgebrochen. Die Helligkeit vernebelte meinen Blick durchs Nachtsichtgerät.
Jeff Albert drehte seinen Kopf in meine Richtung. Ich schätzte seine Überlebenschancen ein. Er steckte nicht nur fest, seine Beine waren gebrochen, und seine Knochen hatten sich durch seinen Overall gebohrt. Ich konnte ihn nicht allein herausholen.
»Hol mich hier raus, Captain«, schrie er. »Lass mich hier nicht verbrennen.«
»Ich bin gleich wieder da«, rief ich zurück. »Ich hole Hilfe. Ich bin gleich wieder da.«
»Er ist tot, Captain«, kreischte er. »Danny ist tot. Hilf mir!«
84
Die Lampen im Empfangsbereich des Reha-Zentrums flackerten, bis sie wieder vollständig brannten. Das weiße Neonlicht blendete mich.
Ich blickte mich um. Über die Wände zogen sich Risse wie in kaputten Eierschalen, auf dem Teppich lagen Gipsstücke und Glasscherben. Ich war gleichzeitig im Blue Skies und in Afghanistan– die Erinnerungen ergossen sich in meinen Kopf wie Benzin, das über harten Wüstenboden läuft.
Männer rannten auf mich zu, phosphoreszierende grüne Gestalten vor dem schwarzen Hintergrund der Nacht. Ich legte Danny Young auf den Boden… und in dem Moment entstand die Lücke in meiner Erinnerung. Ich war dort gewesen. Und plötzlich war ich es nicht mehr.
Ich war tot und anschließend ins Leben zurückgekehrt. Aus welchem Grund, wusste ich nicht. Ich spürte einen kräftigen, schmerzhaften Druck auf meiner Brust, und Rick Del Rios Gesicht schwebte über meinem. »Jack, du Hurensohn…«
Er hatte nicht gewusst, dass ich Jeff Albert hatte sterben lassen. Er hatte es ebenso wenig wie ich gewusst. Ich war außer mir gewesen, hatte halluziniert, ich säße mit Rick in einer Bar. Jetzt, endlich, stürzte ich in dieses Loch in meiner Erinnerung, und das war ebenso quälend wie das Nichtwissen.
Alles, was ich bisher über mich geglaubt hatte, schmolz in dieser schrecklichen Wahrheit dahin. Ich hatte einen Mann zurückgelassen. Ich hatte ihm versprochen zurückzukommen, es dann aber nicht getan. Ich wünschte, Rick hätte mich nicht ins Leben zurückgeholt. Ich wünschte, ich wäre bei den Toten geblieben.
»Jack, Jack, alles in Ordnung?«, rief jemand.
Rick? Wo, zum Teufel, bin ich?
Ich blickte den grauhaarigen Mann an, der sich über mein Gesicht beugte. Wer war er? Woher wusste er meinen Namen?
»Ich bin Brendan McGinty, Tommys Therapeut. Sie haben gestöhnt. Sind Sie verletzt?«
»Mir… mir geht’s gut.« Von Dr. McGintys Hand gestützt, stand ich wieder auf. Menschen eilten vorbei.
»Es kommt alles wieder in Ordnung«, tröstete mich McGinty mit beruhigender Stimme. »Ich werde einen Arzt r uf en, der nach Ihnen sieht.«
»Nein, mir geht’s gut. Ehrlich.«
»Tommy, wir müssen unsere Sitzung verschieben«, sagte McGinty. »Wir vereinbaren einen neuen Termin.«
Ich blickte auf. Mein Bruder stand neben mir. »Quatsch, nein. Wir müssen gar nichts verschieben«, protestierte er. »Jack hat
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