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Die Spur der verlorenen Kinder

Die Spur der verlorenen Kinder

Titel: Die Spur der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.J. MacGregor
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Gefälligkeit abrufen müssen, die ihm die Jungs beim FBI in Miami schuldeten.
    Sein Matchbeutel aus leichtem, wasserdichtem Leinen war nicht so groß, dass er unangenehm auffiel, aber groß genug, um alles zu fassen, was er brauchte. Solche Beutel hatte es tatsächlich bereits 1968 gegeben, und Sheppard und sein Matchsack waren alte Freunde. Er war damit durch Südamerika, Europa und Asien gereist. Er betrachtete ihn als Glücksbringer, er hatte ihn überall dabei.
    Außerdem nahm er seine P226 Sig Sauer mit, Extramunition, und zur Sicherheit noch eine Beretta.
    Sein Laptop, ein superdünnes Modell, das weniger als ein Kilo wog, war ebenfalls eingepackt, beladen mit allem, was er über Patrick Wheaton, seine Stiefschwester und Eltern, die Kolonie im Jahre 1968 und alles andere, was sich als nützlich erweisen könnte, hatte finden können. Seine Kleidung war ebenfalls anno 1968, so authentisch es ging, abgesehen von den New Balance-Laufschuhen und den Sandalen mit den gerippten Gummisohlen und Klettverschlüssen.
    Da sich die Währung seit 1968 dramatisch verändert hatte, war es schwierig gewesen, alte Scheine aufzutreiben. Aber Goot, stets einfallsreich, hatte es geschafft, fünfhundert Mäuse und ein paar Zerdrückte ausfindig zu machen. Mit etwas Glück würde er auch nicht mehr brauchen. Der GPS-Sender, den er bei sich trug, würde nur hier und jetzt etwas bringen; die Satelliten, die ihn möglich machten, hatte es 1968 noch nicht gegeben. Handys, Kompasse und Funkgeräte funktionierten auf dem schwarzen Wasser nicht, er hatte sie – und einige Fackeln – trotzdem eingepackt.
    Auf dem Zodiac-Floß, das ihn ins Feld trüge, würde es genug Essen und Wasser für drei Tage geben. Außerdem einen Erste-Hilfe-Kasten mit einem Breitspektrumantibiotikum für fünf Tage, das stark genug war, den meisten Bakterien den Garaus zu machen, flüssiges und sprühbares Benadryl, eine Kortisonsalbe, Advil, und eine Reihe anderer Heilmittel, die ihm als Overkill erschienen. Sheppard hatte am Nachmittag zu Ende gepackt und lieferte alles am Pier ab, wie Blake gesagt hatte. Er war gegen alles geimpft, von den Standards – Typhus, Tetanus, Gelbfieber – bis, dank 9/11, hin zu exotischeren Krankheiten wie Pocken und Anthrax.
    Hätte er diese Reise offiziell unter dem Schutz des FBI angetreten, wäre die Packliste noch länger, die Bürokratie wäre unerträglich. Und ehrlich gesagt glaubte er, die Reise würde gar nicht erst stattfinden, denn wer würde schon glauben, dass sie möglich war? Es gab immer noch Momente, in denen er vor sich sah, wie er ziellos auf dem schwarzen Wasser herumtrieb und darauf wartete, dass etwas geschah. Aber in diesen Momenten dachte er an Mira und Annie, an die unwiderlegbaren Beweise, und seine Skepsis schwand.
    Pünktlich um sieben hielt er in Nadines Auffahrt und entdeckte Leo Dillard auf der Eingangstreppe. Er rauchte eine Zigarette. Im Abendlicht wirkte er eigenartig friedfertig, geradezu gelassen, wie ein Mann, für den Zeit noch nie ein Problem gewesen war. Definitiv ein Trugbild, dachte Sheppard, eine optische Täuschung. Adjektive wie friedfertig hatten noch nie zu Dillard gepasst. Würden es auch nie. Die Worte, die Dillard beschrieben, waren meist schärfer, hässlicher und tendierten zu Verben, die als Adjektive benutzt wurden. Angepisst. Verfickt.
    Als Sheppard ausstieg, erhob sich Dillard, schnipste seine Zigarette die Auffahrt hinunter und kam auf ihn zu. Seine Körpersprache verriet bereits, dass er ein Hühnchen mit ihm zu rupfen hatte. Viele Hühnchen, zweifelsohne. Sheppard betrachtete ihn bloß als ein weiteres Hindernis, das sich zwischen ihm und Mira und Annie aufbaute.
    »Hallo, Leo. Was machst du denn hier?«
    »Du hast gesagt, du würdest die Stadt verlassen, aber du bist noch da.«
    »Ich habe gesagt, ich würde etwas freinehmen. Jernan hat es genehmigt. Goot und ich fahren morgen.«
    »Man hat mir mitgeteilt, dass dein Kumpel Gutierrez einen falschen Ausweis hat drucken lassen, und dass er altes Geld zusammengesucht hat. Was ist los, Shep?«
    »Goot hat halt komische Hobbys.«
    »Das mag stimmen, aber mein Bauch sagt mir, weißt du, dass dieser ganze Scheiß mit dir zu tun hat, nicht mit Goot, und dass du direkt gegen meine Anweisungen verstößt.«
    »Leo, Leo. Mit deinem Bauchgefühl und einem Vierteldollar kannst du dir ein kleines Kärtchen mit deinem Tageshoroskop in der Spielhalle kaufen. Und jetzt entschuldige mich, ich bin zum Pizzaessen eingeladen.«
    Sheppard

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