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Die Spur der verlorenen Kinder

Die Spur der verlorenen Kinder

Titel: Die Spur der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.J. MacGregor
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so.«
    »Es kostet fünfzig die Woche, möbliert, mit Bettzeug. Jake sagt, Diego ist nicht im Büro, also checken wir dich später ein. Aber ich weiß, dass Hütte elf frei ist. Ich kann dich gleich hinbringen.«
    »Ich hole meine Sachen aus dem Wagen.«
    »Ich muss zurück zur Arbeit«, sagte Jake, als er Mira ihren Rucksack reichte. »Ich komme aber, um nach dir zu sehen. Oh, der Laden der Kolonie befindet sich die Straße runter und dann rechts. Und falls du irgendetwas brauchst, sag einfach Bescheid, okay?«
    »Ich kann dir gar nicht genug danken, Jake.« Sie umarmte ihn schnell und nahm in diesem kurzen Augenblick der körperlichen Berührung seine Unsicherheit wahr, sein dringendes Bedürfnis zu verschwinden. Sie machte ihm Angst. Mira trat schnell zurück.
    »Wir sehen uns bald.«
    »Kümmere dich gut um sie, Lydia.«
    Sie standen da, alle beide, und sahen Jake hinterher, der in seinem VW davonfuhr, Staub wirbelte hinter ihm auf. »Ein netter Kerl«, bemerkte Mira.
    »Er ist ein guter weißer Junge, der immer irgendwem einen Gefallen tut, obwohl er lieber mehr Zeit damit verbringen sollte, seine Wunder in der Dunkelkammer und mit der Kamera zu vollbringen. Aber: Hey, seine Bar druckt das Geld. Hütte elf ist dort drüben.«
    Sie gingen schweigend den Weg entlang, vorbei an uralten Bäumen, der Rucksack wurde immer schwerer auf Miras Schultern. Miras Körper kribbelte.
    »Was ist dein Gebiet?«, fragte Lydia.
    »Mein Gebiet?«
    »Ja, du weißt schon, Malerei, Bildhauerei, Fotografie …«
    »Brauche ich ein Gebiet, um eine Hütte zu mieten?«
    »Also, nein. Aber die meisten Mieter haben ein Interesse in irgendeinem künstlerischen Bereich.«
    »Ich bin Hellseherin. Zählt das?«
    »Du meinst, so etwas wie eine Wahrsagerin?«
    »Wenn du es so nennen willst.«
    »Dann lies mal meine Zukunft«, sagte Lydia mit einem Lächeln.
    »Hier?«
    »Schätzchen, ich bin Bildhauerin. Ich kann überall Skulpturen machen. Also denke ich, mit Wahrsagen sollte es genauso gehen, oder?«
    Sie wollte bloß duschen, etwas essen und ins Bett fallen, aber diese Lydia fing an, ihr auf die Nerven zu gehen. »Gib mir deine Hand.«
    »Du liest mir aus der Hand?«
    »Ich muss dich berühren. So arbeite ich.«
    »Oh.« Sie stieß ein nervöses Lachen aus und streckte ihre Hand vor, Handfläche nach oben.
    Mira hielt ihre eigene Hand unter der ausgestreckten von Lydia und wollte gerade mit ihrem Daumen über Lydias Handfläche fahren, kam aber nicht weit.
    Sie ist klein, sie versteckt sich mit ihrer Mama in den Büschen, sie hat panische Angst. Wenn sie sich bewegt, wenn sie zu laut atmet, werden die bösen Männer auf der Lichtung sie und ihre Mama finden. Die Männer in den weißen Kapuzenkitteln rufen etwas, sie zerren ihren Großpapa über die Lichtung und zu einem großen alten Baum, auf dem sie gestern noch herumgeklettert war.
    Einer der Männer wirft ein Seil über einen Ast. Die anderen tragen eine Leiter dorthin, wo ihr Großpapa steht, sein Gesicht ist geschwollen, seine Brust nackt, sein Rücken blutet von den Peitschenhieben. Lydia kneift die Augen zu und vergräbt ihr Gesicht am Arm ihrer Mama, aber die Mutter packt ihr Kind und zischt: »Sieh zu und erinnere dich immer, was weiße Männer uns antun. Sieh zu, Lydia.«
    Sie wimmert, Tränen brennen in ihren Augen, sie will davonlaufen, weglaufen, immer nur laufen. Aber ihre Mutter hält ihre Hand so fest, dass sie sich nicht rühren kann. Ihr Atem weigert sich, aus ihren Lungen aufzusteigen, die Luft klemmt dort unten fest, und jetzt rufen und lachen die Männer und zwingen ihren Großpapa, die Leiter hochzusteigen. Sie legen ihm die Schlinge um den Hals, und der Atem verlässt ihre Lungen, die Arme ihrer Mutter schließen sich um sie, und ihr Wimmern wird gedämpft durch Lydias Haar.
    Dann stoßen die Männer die Leiter beiseite, und ihr Großpapa hängt, sein ganzer Körper zuckt, zuckt, zuckt … und dann wird er ruhig und …
    Lydia reißt Mira ihre Hand weg. »Mein Gott, Frau, was bist du?«
    Mira hatte nicht bemerkt, dass sie die ganze Zeit gesprochen hatte, sie hatte die Ereignisse beschrieben, die sie sah. Selbst jetzt befand sie sich noch auf dieser Lichtung, sie starrte den Schwarzen an, der von dem Baum hing, das Seil quietschte leise auf dem Ast. Sie rieb sich die Augen, und das Bild verflog. »Danach bist du mit deiner Mutter und einer anderen Frau geflohen …«
    »Meiner … meiner Großmama.«
    »Wo ist das geschehen?«
    »Alabama. Ich war vier, gerade aus Kuba

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