Die Spur der Woelfin
Blick auf ihre Figur erhaschte, während sie sich mit dem Tablett auf die
Pritsche zurückzog, erschrak sie. Ihre Hüftknochen traten deutlich hervor, und
ein kleines Grübchen darüber zeigte auf die Muskelstränge, die sich darunter
verbargen. Wann hatte sie nur so viel an Gewicht verloren? Und wann hatte sie
solche Muskeln angelegt?
»Seit wann bin ich wieder hier?«, fragte sie zwischen zwei Bissen und
sah zu Patrick, der sich seinen Stuhl nah an das Gitter herangezogen hatte und
ihr beim Essen zusah.
»Fast vier Wochen«, erklärte er, und überrascht keuchte sie auf. Warum
konnte sie sich daran nicht erinnern? Weitere Bilder stiegen vor ihren Augen
auf. Sie in einer Badewanne mit eiskaltem Wasser. Sie auf dem Bett, wie sie
sich verzweifelt gegen das Gewicht wehrte, das ihre Arme und Beine fesselte.
Blinzelnd kehrte sie in die Gegenwart zurück.
»Ich kann mich nicht erinnern. War ich krank?« Das klang zumindest
logisch. Wenn sie sich eine Grippe oder
vielleicht Schlimmeres eingefangen hatte, würde das zumindest ihren
Blackout erklären. Patrick neigte leicht den Kopf und zögerte mit der Antwort.
»So etwas in der Art«, meinte er schließlich unbestimmt, und Laura
runzelte die Stirn.
»Und warum bin ich hier drin?« Vielsagend ließ sie den Blick durch die
Zelle schweifen, ehe sie an Patrick hängen blieb. Er wirkte irgendwie verlegen,
kam es ihr den Sinn, als sie seinen leicht verkniffenen Mund bemerkte.
»Weil dein Zustand es mir ratsam erscheinen ließ.«
Laura verstand überhaupt nichts mehr, aber als sie nachhaken wollte, hob
er abwehrend eine Hand.
»Dazu kommen wir noch. Zuerst wirst du mir sagen, an was du dich noch
erinnern kannst.«
Das war doch der Haken an der Sache. Das Letzte, was sie noch wusste,
war, dass Dave sie zum Auto gezerrt hatte. Und Patrick nickte bedächtig, als
sie ihm das sagte. »Er ist zu diesem Park gefahren, nicht?«
Wieder ein Nicken, dann ein Lächeln, als sie ihren leeren Teller
wegstellte. Doch das entging ihr.
»Und dann?«, fragte er leise, und Laura runzelte die Stirn, während sie
sich verzweifelt bemühte, sich zu erinnern.
»Da war ein Baum«, meinte sie schließlich, den Bück ins Leere gerichtet.
»Ich war daran festgebunden. Er hat mir in die Seite getreten.« Unbewusst griff
sie sich an die Stelle, an der er sie getroffen hatte, konnte aber nichts
spüren.
»Er hat dir eine Rippe gebrochen, Liebling«, half Patrick ihr aus, und
perplex sah sie auf.
»Vor vier Wochen? Dann müsste ich doch etwas davon merken. Genauso wie
von meinem Handgelenk.« Zum Beweis hob sie die rechte Hand in die Luft und
drehte das Gelenk, doch bis auf ein leises Knacken war nichts zu hören.
»Es ist alles sehr schnell verheilt«, erwiderte er lahm, und Laura
schnaubte.
»Klar, Jesus war hier und hat mal schnell die Hand aufgelegt«, zischte
sie, doch Patrick schwieg.
Die Bilder kamen unvermittelt. Plötzlich schienen ihre Erinnerungen sich
mit aller Macht aus ihrer Versenkung zu erheben und stürmten auf sie ein. Sie
sah sich selbst an dem Baum. Sah Patrick und Daniel, der diesen anderen Mann,
Jason, stützte. Und dann die Wölfe. Vince. Sie kannte diesen
schäferhundähnlichen Pelz und einen anderen schwarzen ... Kenneth.
Erschreckt schnappte sie nach Luft, als sie das nächste Bild sah.
Kenneth und ... ein anderer Wolf. Sie sah die reflektierenden blauen Augen,
sah, wie beide auf sie zuras-ten und wie Kenneth ihn einholte. Aber es hatte
nicht gereicht ...
»Großer Gott«, keuchte sie, und mit einem Satz war sie auf den Beinen.
Misstrauisch besah sie sich ihren linken Unterschenkel. Zwei lang gezogene
Narben hoben sich als leuchtend rote Striche von ihrer Haut ab, und als sie das
Bein drehte, sah sie ähnliche Narben auf ihrer Wade. »Sag mir, dass das nicht
wahr ist«, flüsterte sie unter Tränen, doch Patrick tat ihr den Gefallen nicht.
»Du bist gebissen worden, Laura«, hörte sie ihn sagen, und mit einem
unterdrückten Schluchzen gaben ihre Knie unter ihr nach.
»Das ist nicht wahr«, murmelte sie immer wieder. »Das kann nicht wahr
sein.«
Patrick sah, wie sehr sich Laura damit quälte, hatte geahnt, dass es so
kommen würde, und war nun dennoch machtlos, etwas dagegen zu unternehmen. Alles
in ihr wehrte sich gegen die schlichte Wahrheit, und er konnte sie sogar
verstehen. Ein Leben, wie sie es führten, war nicht leicht. Die Wandlungen
waren nur schwer zu kontrollieren und mit Schmerzen verbunden, aber sie waren
unvermeidlich. Niemand konnte sie
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