Die Spur der Woelfin
Moment gar nicht gedacht.«
Er schien sich damit zufrieden zu geben.
In ihrer Wut auf Patrick war Laura entgangen, dass er beim Betreten des
Raumes mehr als nur die bräunliche Mappe bei sich gehabt hatte. Doch als er
unter den Tisch griff, holte er eine große Plastiktüte darunter hervor, die
vorher noch nicht da gewesen war.
Laura erstarrte. Kleidungsstücke. Blutgetränkte Kleidungsstücke, wie sie
erkannte, als sie einen genaueren Blick darauf warf, während er die Sachen auf
dem Tisch ausbreitete. Sie waren zerrissen. Die Nähte waren aufgeplatzt, und
das dunkelgrüne Hemd war in der Mitte sauber durchgerissen. Und Bissspuren. An der Stoffhose sah es an einigen Stellen so aus, als hätte sich ein Tier
darin verbissen und so lange gezogen, bis der Stoff nachgegeben hatte.
»Kennen Sie diese Sachen, Miss Petersen?«
Laura runzelte die Stirn. Es waren unbestreitbar Männerkleider,
inklusive Schuhe, wie sie bemerkte, als er einen zweiten Beutel vor sie auf den
Tisch stellte. Aber sie hätte beim besten Willen nicht sagen können, ob etwas
davon Peter gehört hatte. Es waren keine billigen Kleidungsstücke, wie man sie
in den normalen Geschäften und Supermarktketten kaufen konnte. Zögernd strich
sie mit den Fingerspitzen über eine nicht blutverschmierte Stelle des Hemdes.
Seide. Peter hätte es durchaus getragen haben können, aber ... »Welche Größen
sind das?«
Der Detective sah auf die Aufkleber der Beutel. »Das Hemd 43, die Hose
96, Schuhe 8,5«, listete er nüchtern auf, und Laura schüttelte den Kopf.
»Das sind nicht Mr. D'Abots Größen. Peter war nicht unbedingt ein Riese.
Zwar kenne ich seine Größen nicht, aber diese hier wären ihm auf jeden Fall zu
groß gewesen. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen.« Stirnrunzelnd blickte sie
auf die Flecken. »Wessen Blut ist das?«
»Das werden wir erst Montag wissen, Miss Petersen«, erwiderte er in
einem Ton, in dem er auch das Wetter hätte vortragen können. Ihn ließ der
Zustand der Kleidungsstücke offensichtlich kalt.
»Wo haben Sie diese Sachen gefunden?«
Kurz huschte so etwas wie Misstrauen über sein Gesicht, doch verschwand
diese Regung wieder hinter der kühlen Fassade des Beamten. »Im Wohnzimmer
hinter der Tür. Als Sie die Tür aufgestoßen haben, müssen Sie sie verschoben
haben, deswegen haben Sie sie vermutlich auch nicht gesehen.«
Laura lächelte entschuldigend. »Ich habe den Raum nicht betreten. Ich
habe nur das gesehen, was man von der Tür aus hatte erkennen können. Mehr hätte
ich einfach nicht ertragen.«
Wieder nickte der Mann, stopfte die Sachen zurück in die Tüte und erhob sich.
»Vielen Dank für Ihre Hilfsbereitschaft, Miss Petersen. Kann ich davon
ausgehen, dass Sie es uns mitteilen werden, wenn Sie eine neue Unterkunft
gefunden haben sollten?« Er reichte ihr höflich die Hand, und Laura ergriff sie
nickend. Ein klassischer Fall von >Wink mit dem Zaunpfahl<. Sie sollte
die Stadt nicht verlassen und sich auf Abruf für weitere Fragen halten.
»Natürlich, Sir. Ich stehe Ihnen auch weiterhin zur Verfügung.«
Er lächelte und hielt ihr noch die Tür auf, und Laura war heilfroh, dass
sie so schnell schon wieder gehen konnte.
»Und?« Patrick hatte sie wieder zurück zum Wagen geführt und ließ gerade
den Motor an, als er die Frage stellte. Im ersten Moment war sie versucht, ihn
auch weiterhin zu ignorieren, doch dann gab sie sich einen Ruck. Vermutlich
hatten sowohl der Detective als auch Daniel Recht. Er machte sich vielleicht
wirklich nur Sorgen um sie. Und diese Erkenntnis ließ bei Laura alle Wut
verpuffen. So wortgetreu wie möglich versuchte sie nun, das Gespräch für ihn
zusammenzufassen, und spürte, wie ihr Herz einen kleinen Satz machte, als er
leicht lächelte. »Dann hast du ihm nichts von uns gesagt?«
Sie schnalzte in gespielter Empörung mit der Zunge. »Also bitte! Bloß
weil ich sauer bin, heißt das noch lange nicht, dass ich es vorziehe, ins
Irrenhaus eingeliefert zu werden, nur damit ich von dir wegkomme.«
Und das Lächeln, mit dem er sie daraufhin bedachte, als er den Kopf zu
ihr drehte, ließ sie für eine Sekunde das Atmen vergessen. »Bist du es denn
noch?«
Ihr Herz schlug so laut, dass sie glaubte, er müsse es hören, und für
einen Moment wünschte sie sich, dass sie tatsächlich noch wütend wäre. Dann
wäre es nämlich entschieden einfacher für sie, ruhig neben diesem Mann zu
sitzen, sich vielleicht über ihn aufzuregen, anstelle mit dem Flattern in der
Magengegend kämpfen
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