Die Spur der Woelfin
Machtkämpfe
innerhalb des Rudels leid. Ich hatte es satt, alles und jeden ständig als
potenzielle Bedrohung sehen zu müssen. Gewalt ist auch heute noch ein nicht
unwesentlicher Bestandteil unserer aller Leben, aber es ist nicht mehr die
sinnlose Gewalt, die damals innerhalb des Rudels gelebt wurde. Wir haben
gelernt, dass es mehr Sinn macht, wenn wir alle an einem Strang ziehen, nicht
nur, um uns gegen äußere Bedrohungen zu schützen. Wir haben gelernt, einander
zu vertrauen.« Seine Stimme war bar jeder Emotion, dennoch hatte Laura das
Gefühl, dass er stolz darauf war. Patrick war niemand, der Wert darauf legte,
dass andere seine
Leistungen würdigten. Er brauchte nicht die Bestätigung durch andere,
wie ihr Väter es immer von allen in seiner Umgebung verlangt hatte. Aber sie
ahnte, welcher Kraftakt dahinter gesteckt haben musste, als er die
grundlegendsten Prinzipien innerhalb des Rudels änderte.
»Ich vertraue dir, Patrick« erwiderte Laura, noch ehe sie sich überhaupt
klar war, was sie da sagte. »Aber ich werde es nicht hinnehmen, wenn du
versuchst, mich herumzukommandieren .«
»Ich weiß«, entgegnete er ruhig, und Laura schluckte, als er nach ihrer
Hand griff, die bis dahin auf der Lehne gelegen hatte. »Aber es wäre einfacher
so.« Abwesend spielte er mit dem Ring an ihrem Finger, und Laura grinste.
»In deinem Alter sollte man eigentlich wissen, dass es mit Frauen nie
einfach ist.«
Er lächelte schief. »Und du bist nicht wirklich bereit, für mich eine
Ausnahme zu machen?«
Die halbe Frage brachte sie zum Kichern. Doch, dieser Mann war ganz
anders als ihr Vater. Bei ihm fühlte sie sich wohl. Und es war auch keine Lüge
gewesen, als sie ihm gesagt hatte, dass sie ihm vertraue, wie sie sowohl
überrascht als auch erfreut erkannte. »Habe ich dich das etwa glauben lassen?«
Er zog ihre Hand an die Lippen und schüttelte leicht den Kopf. »Aber es
wäre wirklich schön«, murmelte er, und Lauras Herz setzte für einen kleinen
Moment aus, als er kleine Küsse auf ihren Fingerknöcheln platzierte. Dann aber
schlug es umso schneller weiter, während sich in ihrem Magen alles zusammenzog.
Es wäre schön, sinnierte sie. Ja, das wäre es
wirklich.
Sie hatte sich noch nie für Männer interessiert. Vorher nicht, weil sie
sich sowohl zu jung gefühlt hatte als auch aus dem Grund, dass sie mit Schule
und Arbeit einfach zu beschäftigt gewesen war, um sich darüber Gedanken ma-chen
zu können. Und später nicht, weil sie schon panisch geworden war, wenn sie nur
daran gedacht hatte, mit einem Mann ins Bett zu gehen. Ihre einzige Erfahrung
auf diesem Gebiet hatte es ihr unmöglich gemacht, unbefangen mit diesem Thema
umzugehen — bis sie Patrick kennen lernte.
Jedes Mal, wenn Patrick ihr näher kam, spürte sie unterschwellig Angst
in sich aufkommen. Aber es war nicht jene Panik, die sie sonst immer befiel,
wenn sie auch nur in einer Bar angemacht worden war. Diese Angst war eine ganz
andere, entsprungen aus der Angst, sich zu sehr in ihn zu verlieben, trotz des
Wissens, dass es nie funktionieren könnte. Sie brauchte seine Nähe, genoss die
Wärme seines Körpers, wenn er sie im Arm hielt, und die Ruhe, die er in solchen
Momenten immer wieder mit ihr teilte.
Laura wäre fast in Tränen ausgebrochen, als sie begriff, dass es zu spät
war. Unbeschadet würde sie ihr Herz nicht wieder von hier mitnehmen können.
Fatalistischerweise beruhigte sie diese Erkenntnis schon im nächsten
Augenblick. Es war zu spät, warum also sollte sie sich länger gegen etwas
wehren, was sie selbst wollte? Und als Patrick sie an ihrer Hand zu sich zog,
erhob sie sich und ließ sich auf seinem Schoß nieder. Sofort schlang sich ein
Arm um sie, während seine andere Hand in ihren Nacken glitt, um sie zu ihm
herabzuziehen, und Laura seufzte leise und schloss die Augen, als ihre Lippen
sich trafen.
Sie war es schließlich, die sich von ihm löste. Ihr Atem kam nur noch
unregelmäßig, und sie spürte die Hitze in ihren Wangen, als sie sich wieder
aufrichtete und auf Patrick herabsah. Seine Finger streichelten leicht ihre
Hüfte, ließen ein Kribbeln in ihrem Unterleib entstehen, und sie holte tief
Luft.
»Nenn mir jetzt einen guten Grund, warum ich heute Nacht wieder allein
bleiben sollte.«
Es gab vermutlich eine lange Liste solcher Gründe, doch Patrick sagte
nicht ein Wort. Stumm sah er sie aus leuchtenden hellblauen Augen an, und Laura
stockte der Atem, als ein kleines Lächeln sich in seinen Zügen ausbreitete.
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