Die Spur der Woelfin
auch Laura wusste nicht, was sie ihm hätte sagen sollen. Sie
hatte sehr wohl bemerkt, dass ihm ihre herzliche Verabschiedung nicht gepasst
hatte. Selbst jetzt schien er noch darüber verärgert, und sie begann sich zu
fragen, wie sie nicht nur diesen Flug überstehen sollte, sondern auch die
nächsten Wochen, ohne dass sie ihm ernsthaft an die Gurgel ging. Er konnte sie
nicht leiden, wollte, dass sie wieder dahin verschwand, von wo sie gekommen
war. Und dennoch hatte er selbst vorgeschlagen, dass er sie nach Deutschland
begleitete. Das Warum blieb ihr bei dieser Sache allerdings ein Rätsel.
Unwillkürlich kehrten ihre Gedanken zu Patrick und dem Morgen zurück.
Beinahe wären sie zu spät zur Beerdigung gekommen. Eigentlich hatte sie um
sieben Uhr aufstehen wollen, da sie noch ihre Sachen hatte packen
müssen. Patrick allerdings hatte es vorgezogen, den Tag anders zu beginnen, und so
hatte sie, nachdem sie endlich aus dem Bett gekommen waren,
nur noch schnell die wichtigsten Sachen in ihren Koffer schmeißen können, um nicht noch mehr
Zeit zu verlieren.
Sie war nicht vom Wecker wach geworden. Den hatte Patrick nämlich
ausgestellt. Sie hatte halb auf dem Bauch gelegen und war davon wach geworden,
als er viele kleine Küsse auf ihrem Rücken platziert hatte. Irgendwo zwischen
Schlafen und Wachen hatte sie es für einen schönen Traum gehalten und erst
begriffen, dass es keiner war, als er ihre Hüften angehoben hatte und in sie
eingedrungen war. Allein die Erinnerung reichte aus, um ihre Erregung
wiederzubringen und ihr klar zu machen, dass sie ihn bereits jetzt vermisste.
»Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?« Das und ein leichter Hieb
mit dem Ellenbogen in ihre Seite ließen sie mit flammender Röte auf den Wangen
wieder in die Gegenwart zurückkehren.
»Ein Wasser, bitte«, erwiderte sie daraufhin hastig und funkelte Vince
wütend an, der ihren Blick mit einem spöttischen Grinsen erwiderte. Zwölf
Stunden Flug und mindestens zwei Stunden Autobahn, wie sollte sie das mit
diesem Mann nur aushalten? Sie konnte weder Musik hören, da ihr die Auswahl der
Fluggesellschaft nicht gefiel, noch sagte ihr der Film, der gerade gezeigt
wurde, sonderlich zu. Vierzehn Stunden mit ihm auf engstem Raum und kein Messer,
um die Sache zu regeln. Und schon jetzt konnte sie seinen spöttischen,
wissenden Blick nicht mehr ertragen.
Als sie unterdrückt gähnte, wurde sein Grinsen noch eine Spur breiter,
und als sie daraufhin verärgert nach den Zeitschriften griff, die sie am Flughafen
erstanden hatte, konnte sie aus dem Augenwinkel das leichte Beben seiner
Schultern sehen. Er lachte sie aus! Wütend fuhr sie zu ihm herum.
»Was zum Teufel habe ich dir eigentlich getan?«
Gelangweilt hob er die Schultern, doch sein Grinsen war plötzlich wie
weggewischt. »Nichts«, gab er lakonisch zur Antwort, und sie schnaubte
unwirsch.
»Natürlich. Und wenn du mir jetzt erzählen willst, dass du mich magst,
fange ich an zu schreien.«
»Ich mag dich.«
Unterdrückt schrie Laura auf und konnte sehen, wie einige der übrigen
Passagiere sich überrascht zu ihr umdrehten. »Du machst mich wahnsinnig«,
zischte sie durch zusammengebissene Zähne und sah ihn überheblich grinsen.
»Gut so. Du mich auch.«
Im ersten Moment sah sie ihn perplex an, dann jedoch fing sie an zu
lachen. »Wunderbar«, meinte sie, als sie wieder genügend Luft bekam. »Dann
haben wir wohl etwas gemeinsam.« Und damit widmete sie sich dem Kreuzworträtsel
ihrer Zeitschrift und überließ Vince sich selbst.
Schon eine halbe Stunde später verlor sie das Interesse an ihrem nicht
mal zur Hälfte gelösten Rätsel. Mit einem leisen Seufzer legte sie die
Zeitschrift zur Seite und sah aus dem kleinen Fenster. Es war kurz vor
Einsetzen der Regenzeit, und der Himmel war wolkenverhangen. Unter ihr konnte
sie nichts mehr vom Land erkennen, alles wirkte wie mit einer dicken Schicht
Sahne überzogen. Einige Wolken türmten sich wie kleine Hauben über einer
gleichmäßig weißen, gelegentlich dunkelgrauen Wolkenschicht auf. Doch so recht
konnte Laura die fast schon künstliche Aussicht nicht genießen.
»Ich habe es mir nicht ausgesucht, mich ausgerechnet in Patrick zu
verlieben«, meinte sie unvermittelt zu Vince.
Dieser hatte sich die letzte halbe Stunde mit den Vorbereitungen für
seinen Kurs an der Uni beschäftigt, ließ nun aber das Buch, in dem er gerade
gelesen hatte, sinken.
»Oder in sein Geld«, ergänzte er, und Laura presste die Lippen
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