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Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Titel: Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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und diverse Treckerreifen vor sich hin. Der Regen hatte sich in Pfützen auf dem unebenen Pflaster gesammelt. Nur die Geranien in den Kübeln und Blumenkästen wucherten üppig. Neben der Tür fand Julia zwei Namensschilder mit Lux , eines in Sütterlin, das andere mit Druckbuchstaben beschriftet. Sie entschied sich für die Klingel mit der modernen Beschriftung.
    Renate Lux blickte sie schweigend und abschätzig an. Der Pony ihres blonden Bobs hing fransig über ihren Augen. Ein Gesicht, zusammengewürfelt wie vom Trödelmarkt, das in jungen Jahren möglicherweise ganz niedlich gewesen sein mochte. Die Frau steckte in einem pinkfarbenen Kleid mit einem silbernen Schriftzug und blauen Pailletten. Sie hätte sich eine Kleidergröße größer gönnen sollen, dachte Julia, als sie sich vorgestellt hatte und eingelassen wurde.
    Das Jahrhundert wechselte. Kraftlos versuchte eine Lampe aus den Fünfzigern die Diele zu erhellen, das Feuer im Kamin war tot, es roch mild nach Schinken. Julia bezweifelte, dass noch einer im Rauchfang hing. Der Geruch hatte sich über die Jahrzehnte in die Tünche der Wände gefressen und eine unsichtbare Patina auf den dunklen Kommoden, dem massigen Tisch und den bunten Fliesen hinterlassen.
    Renate Lux führte Julia in die Küche, glänzende Oberflächen, ein chromblitzender Herd, ein gelaugter Kieferntisch mit Stühlen in der Ecke. Sie bot Julia einen Platz an, indem sie auf die Sitzgruppe zeigte. Bisher hatte sie kein Wort gesprochen.
    Nachdem sie sich eine Zigarette angezündet hatte, sagte sie: »Also was?«
    »Sie kennen Rose Marie Lux?«, begann Julia.
    Renate Lux nickte. »Sie ist meine Tochter. Was ist mit ihr?«
    »Ihre ...« Julia verschlug es die Sprache. Als sie sie wiederfand, sagte sie: »Wissen Sie, wo sie ist?«
    »Sollte ich das? Sie ist erwachsen, hat sie gesagt.« Die Frau heftete ihren Blick auf etwas hinter Julia. Gerne hätte Julia nachgesehen, was es war, wenn ihr das nicht unhöflich erschienen wäre.
    »Eine Kollegin hat Ihre Tochter als vermisst gemeldet.«
    »Sie hat eine Kollegin? Gut.« Die Lux inhalierte tief.
    »Sie wissen nicht viel über Ihre Tochter?«
    »Sie lebt ihr Leben, ich meins.«
    Die beiden Frauen hatten offenbar kein besonders gutes Verhältnis.
    »Also gut. Können Sie mir irgendwie helfen, sie zu finden?« Julia versuchte ein Lächeln, es verirrte sich im Zwielicht, das durch das Fenster hereinfiel. Die andere starrte weiter an Julia vorbei, hob die Schultern.
    »Ich wüsste nicht, wie.« Abrupt stand sie auf, fragte, ob Julia etwas zu trinken wolle, räumte Gläser und eine Flasche Wasser auf den Tisch. Julia warf einen Blick hinter sich und entdeckte den Fernseher an der Wand, Werbung lief, ohne Ton. Die Lux setzte sich nicht wieder und sagte, sie habe wenig Zeit und ihre Schicht fange bald an. Julia erfuhr, dass Renate Lux im Jägerhof kellnerte, davor in verschiedenen Restaurants, wie es gerade kam.
    »Ich trinke nicht mehr«, sagte sie und sah zu Boden. »Schon lange nicht mehr.« Sie hatte ein Hofcafé bewirtschaftet, wie sie allerorten aus dem Boden geschossen waren, erzählte sie. Was sollte man auch tun mit einem Hof, auf dem es nichts mehr zu tun gab, als irgendwann die alten Eltern zu pflegen? Sicher, man konnte verkaufen. Das taten viele. Oder verpachten. Renate war die einzige Tochter, der Hof ohne Nachfolger. Vater bricht es das Herz, sagte ihre Mutter, als Renate mit dem Abitur in der Tasche nach den letzten Sommerferien vom Trecker stieg und verkündete, sie werde studieren. Hotel- und Restaurantmanagement in Heilbronn. Vater starb nach dem ersten Schnee. Renate brachte Rolf mit heim, und sie lebten ein paar Monate einen Traum. Selbst gebackener Kuchen und abends Jazz mit Bier. Dann war das Geld alle und Rolf nahm wieder kleinere Engagements an. Dann kam Rose. Das Geld blieb knapp und Rolf immer länger fort.
    »Natürlich hatte er eine andere. Ich weiß nicht, wie ich mir einbilden konnte, dass es mit uns klappen könnte. Rolf, der Schauspieler, und Renate, der Bauerntrampel.« Sie lachte auf und nahm einen Schluck aus der Wasserflasche. »Als Rose Marie auf die Welt kam, ging es uns gerade gar nicht so schlecht. Mutter war gestorben, und wir hatten ein biss­chen Bares geerbt.« Draußen tuckerte ein Traktor. »Aber das war schnell aufgebraucht. Und Rolf blieb weg.«
    Nun kannte Julia zwar auch diese Geschichte, doch so kam sie keinen Schritt weiter. Sie erhob sich und wollte sich verabschieden, als Renate Lux etwas notierte.

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