Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi
auf einen Bügel im Flur. Die Feuchtigkeit der letzten Tage lag in den Räumen.
»Ich auch. Aber es gibt was Neues. Willst du es wissen?«
»Nein.« Sie wollte gar nichts mehr wissen. Für diesen Tag hatte sie genug. Früher war das anders gewesen. Sie hatte ihren Job gemacht und war abends ausgegangen und nicht schon am Nachmittag erschöpft gewesen.
»Ich sage es dir trotzdem.«
Das hätte sie sich gleich denken können. Sie klemmte das iPhone zwischen Schulter und Ohr und bereitete Kaffee.
»Ich habe einen Zeugen gefunden.«
Julia hörte geradezu, wie er auf ihre Begeisterung wartete.
»Aha.«
»Interessiert dich nicht.«
»Doch. Schon.« Er würde es ihr ohnehin sagen, und es war ja auch wichtig. Und es interessierte. An sich. Doch. Ja. Die Kaffeemaschine machte wohlige Geräusche. Wenn nur dieser Dunst nicht wäre, durch den sie ihre Aufmerksamkeit lenken musste und der sie umhüllte und einschloss. Oder ausschloss? Wenn der nicht wäre …
»Bist du noch dran, Julia?«
»Ja, ja.« Sie holte Luft für den Rest des Gespräches. »Also, wen hast du gefunden?«
»Am Telefon lässt sich das nicht so gut erklären. Am besten, du kommst …«
»Keinesfalls.« Sie warf einen Blick durchs Fenster und auf den Regen da draußen. »Ich gehe nirgendwo mehr hin.«
»Also gut. Ich komme.«
Während sich Julia Kaffee einschenkte, nagte das schlechte Gewissen. Conrad hatte eine ganz ordentliche Gehirnerschütterung hinter sich und sie jammerte wegen ihrer Befindlichkeitsstörungen. Ihr Gewissen raffte sich auf und holte Rosinenschnecken und Puddingteilchen von der Bäckerei Braun . Conrad wartete schon vor dem Haus, als Julia zurückkam.
»Es tut mir leid«, sagte sie und hielt ihm zur Versöhnung das Kuchenpaket hin. Er nahm es entgegen, das Papier weichte auf, und sie flüchteten ins Haus.
»Erzähl«, sagte Julia, nachdem sie Kaffeetassen und Kuchenteller auf dem Küchentisch verteilt und sich niedergelassen hatte. Conrad sah müde aus, Schatten unter den Augen, Blässe.
»Ich habe endlich diesen Felix Segbert erwischt. Er hat mal zu Hause vorbeigeschaut. Gibt wohl ziemliche Probleme mit dem Jungen.«
»Ja, ja, das weiß ich doch, Jugendamt und so. Was hat er gesagt?«
»Ich musste die Mutter wegschicken, die dauernd dazwischenquatschte, und ihm ein bisschen Dampf machen. Dann rückte er raus, dass da drei Typen aus der Schule die jüngeren Kids abziehen. Das Taschengeld erpressen, Handys, Klamotten, auch mal draufhauen, wenn die sich wehren, oder die Geschwister schikanieren. Bisher hat keiner von denen was gesagt.«
»Und? Namen?« Das war immerhin ein Anhaltspunkt. Vielleicht war so eine Erpressung einmal böse ausgegangen. Bei Rasid. Und bei Conrad. Der Verband klebte immer noch auf seiner Stirn.
Conrad nickte. »War nicht ganz einfach. Felix schien wirklich Angst zu haben. Die Namen der Jungs stimmen mit den Angaben aus der Schulleitung nicht überein. Von Rasids Tod wusste er noch nichts. Ich habe es ihm auch nicht gesagt.«
Das hätte Julia auch nicht gekonnt. Conrad legte einen Zettel mit den Namen auf den Tisch und schaute, als wäre das noch nicht alles.
»Nun sag schon.« Julia nahm sich die zweite Hälfte von der Rosinenschnecke, nachdem Conrad auf ihren fragenden Blick hin den Kopf geschüttelt hatte, und trank einen Schluck Kaffee.
»Völlig unauffällige Schüler seien das, sagt der Schulleiter, und dass er sich nicht vorstellen kann, dass die so was machen.«
»Da sieht man’s mal wieder.« Sie kaute.
»Ich hab sie mir angeguckt, als die Schule vorbei war, und bin ihnen gefolgt. Was glaubst du, was passiert ist?«
»Conrad!«
»Wenn ich mich nur erinnern könnte.« Er vergrub den Kopf in den Händen.
Dann sah er auf. »Ach, egal. Wir müssen es eben anders herausfinden. Die drei haben jedenfalls einen vielleicht Zwölfjährigen in die Mangel genommen. Wirkte alles sehr eingespielt. Den Langsamsten von ihnen hab ich am Schlafittchen gekriegt, die anderen sind mit ihren Rädern weg.« Nach einer Pause brummelte er: »Bin noch nicht so gut in Form.«
»Ja, nee, ist klar. Du gehörtest ja eigentlich ins Krankenhaus.«
»Hör auf und komm mit.«
Was hatte er jetzt wieder vor? Julia lehnte sich demonstrativ zurück und hob in aller Ruhe ihre Tasse.
»Ich hab ihn zu Hause abgeliefert, Drama bei der Mutter, und gesagt, dass ich wiederkomme. Nur will ich den Jungen nicht alleine befragen.«
»Frauen und so.«
»Na ja. Komm mit, ja?« Hundeblick. Dagegen war Julia wehrlos. In
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