Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi
ist auch nützlich.« Conrad blinkte und fädelte sich in den Nachmittagsverkehr auf der Dülmener Straße ein.
Julia hatte einen Anfall von extremer Unlust, den sie mit ihrem Gewissen und ihrem Stolz niederkämpfte. Sie würde sich von Fels nichts nachsagen lassen, der sowieso von ihr dachte, sie sei zu meschugge zum Arbeiten. Zwar hatte er in gewisser Weise Recht, nur würde sie ihn das nicht wissen lassen. Fast tat es ihr leid, dass der alte Bayer wegzog. In der Jackentasche tastete sie nach seinem Buch, war neugierig darauf, was der Alte lesenswert für sie fand. Obwohl er sie mit seinen seltsamen Fragen wütend machte, hatte sie sich ein wenig an ihn gewöhnt. Und es hätte noch einiges gegeben, was sie gern mit ihm besprochen hätte. Großmutter zum Beispiel und das lange Schweigen. Und ob er wusste, warum es in Coesfeld keine Stolpersteine gab. In Wesel gab es welche und in Borken auch.
Von dem Berge war schon da, als sie im Büro ankamen. Er saß zusammengekrümmt auf einem Stuhl an Julias Schreibtisch und erhob sich, um ihnen einen Händedruck wie Sackleinen zu verabreichen. Er blickte auf Julias Stirn, sodass sie unwillkürlich darüber strich. Da war nichts. Dann entdeckte Julia, dass seine linke Pupille leicht außerhalb der Mitte stand. Sie setzten sich, und Von dem Berge trank einen Schluck Wasser aus dem Glas vor ihm.
»Frau Wiggers hat schwere Anschuldigungen gegen Sie vorgebracht«, begann Conrad.
»Was für Anschuldigungen und welche Frau Wiggers überhaupt?« Von dem Berge hob die Braue, sein Gesicht verzog sich.
»Die Frau Wiggers, die auf der Intensivstation Dienst tat, als Sie den Onkel von Rasid Chalid erpressen wollten.«
Die Braue rutschte noch ein Stück höher und fror knapp unter dem Haaransatz fest, während die Hautfarbe des Arztes einen unpassenden rosa Schimmer annahm. »Schwester Helga«, zischte er, lachte trocken. »Schwester Helga ist eine manipulative Natter.«
»Bei unserem Besuch bei Ihnen war sie noch eine kompetente Kraft«, warf Julia ein und kniff ihrerseits die Augen zusammen. Dieses Schiefe in seinem Gesicht machte sie ganz kribbelig.
»Seit ich im Vincenz arbeite, hat sie gegen mich intrigiert. Immer wieder. Hat sich alles als Nonsens erwiesen.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »So wird es auch diesmal sein. Womit sollte ich den Verwandten eines Patienten denn erpressen? Das ist völliger Blödsinn. Es tut mir natürlich sehr leid, dass wir Rasid verloren haben. Wissen Sie, sie hat jede Menge Probleme. Sie haben sie ja selbst erlebt. Und so glücklich, dass ich gerade dazukomme, läuft es nicht immer ab.«
»Welcher Art sind ihre Probleme?« Auch wenn das vielleicht nichts zur Sache tat, wollte Julia seine Erklärung hören. Von dem Berge lehnte sich über den Schreibtisch. Julia konnte Haare auf seiner Nase erkennen und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Hauptsächlich hat sie welche mit der Verwaltung, weil sich Angehörige über sie beschweren. Man wollte ihr kündigen, aber sie ist an die fünfzehn Jahre da.« Er hob die Schultern wie jemand, der etwas wirklich bedauerlich fand. Julia wusste nicht genau was.
»Man hat ihr also nicht gekündigt«, stellte Conrad fest. »Was hätte sie für einen Grund, einen so schwerwiegenden Vorwurf gegen Sie zu erheben?«
»Ich bin ihr zu geradlinig. Klare Anweisungen, Kontrollen. Das passt ihr nicht. Sie will mich da weg haben. Aber das lass ich mir nicht bieten, und der Chef schätzt meine Arbeit. Im Übrigen hat sie das auch mit anderen versucht.«
Julia fragte sich, wie er es wohl schaffte, seine Mimik so lange in der gleichen Position zu halten. »Und was ist dabei herausgekommen?«
»Im letzten Jahr ist einem Kollegen gekündigt worden, weil sie ihn eines Versäumnisses beschuldigt hat. Die Sache ist ziemlich schlecht ausgegangen.«
Die Sache? Sprach er gerade von einem Patienten?
Von dem Berge wiegte den Kopf. »Ehrlich gesagt, war er auch nicht so gut.«
»Hier stellt sich aber doch die Frage, ob Rasid Chalid überhaupt im richtigen Krankenhaus versorgt worden ist.«
Julia fragte sich, was Conrad denken musste, wenn er dem Arzt gegenübersaß, der ihn ebenfalls behandelt hatte .
»Selbstverständlich. Die Intensivstation ist auf alle Notfälle eingerichtet.«
»Das sollte auch so sein«, gab Conrad zurück. Julia sah, wie seine Hand zuckte, eine kräftige Hand mit der Zeichnung dicker Adern unter der Haut. Aber er legte sie nicht an die Stirn. Kopfschmerzen, wahrscheinlich. »Nur für
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