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Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Titel: Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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Brünettes Haar, volle Wangen, Augen wie Brunnen im Eisenerz. Honeys Schwester. Honey hatte keine Schwester. Ich las, was sie postete, Göttergeschichten, Mythen, wie sie mit anderen stritt oder lachte. Regelmäßig gegen Mitternacht stellte sie Musik-Postings ein.
    Ich selbst postete selten etwas. Was sollte ich auch erzählen? Dass ich allen einen guten Morgen wünschte? Dass das Wetter schon wieder schlecht war? Dass ich gerade meinen Kater versorgt hatte? Abgesehen davon, dass ich Katzen hasste, wäre mir nichts dergleichen in den Sinn gekommen. Also schwieg ich.
    Irgendwann fing ich an, mir die Postings von Thetis näher anzusehen. Die Auswahl umfasste die gesamte musikalische Palette, Pop, Jazz, Rap, Klassik, Kinderlieder und was noch alles. Das meiste kannte ich nicht. An einem Tag, an dem sie wieder schwieg, fand ich auf ihrer Seite einen Titel von einer Rockgruppe namens System of a Down . Er hieß Lonely Day , und ich fühlte mich seltsam angesprochen, was natürlich Unsinn war, doch das Gefühl hielt bis in den Schlaf und weckte mich in der Frühe.
    Ich surfte eine Weile im Netz und suchte. Oder nicht? Ich war nicht sicher. Aber wann war ich das schon? Ein ziemlich schmalziger Song mit einem interessanten Titel kam mir unter, und ehe ich darüber nachgedacht hatte, klebte er auf meinem Profil: I’d really love to see you tonight. An diesem Morgen musste ich nicht lange auf ihre E-Mail warten. Dass sehr bemerkenswerte Freaks bei dem Treffen erscheinen würden, schrieb sie. Wenig später hörte ich Take this way , eine Aufnahme, die Thetis wie die meisten Stücke über You tube gefunden hatte, eine grauenhafte Musik, die meinen Herzschlag steigerte. Einige ihrer Bekanntschaften diskutierten den Rhythmus. Ich grübelte. War ich verrückt? Paranoid? Ich probierte es aus und postete einen Rap: I don’t know .
    Honey backte Quarkkuchen mit Pflaumen, brachte mir ein Stück, lächelte entfernt und setzte sich zu mir, während ich am Rechner schrieb. Ich wartete auf eine Mail von Thetis. Mir zerriss es die Brust vor Anspannung. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.
    »Hau endlich ab.«
    »Spinnst du jetzt komplett?« Sie wich zurück. »Ich sitze hier und mache nichts.«
    »Eben. Hau ab und mach was.«
    Aber sie blieb sitzen. Eine Minute oder zwei. Dann riss ich sie an der Jacke hoch, drängte sie in die Küche und schloss die Tür ab. Sie trommelte dagegen, rüttelte an der Klinke.
    »Hast du ‘ne Macke? Mach auf, verdammt!«
    Ich setzte mich wieder an den Rechner und hörte Töpfe auf den Boden scheppern und Geschirr zu Bruch gehen. Kein Blinken, keine Mail. Ich wartete, während sich die Küche in den Hades verwandelte. Keine Mail. Nach zwanzig Minuten: My hope is you . Nein, ich war nicht verrückt. Thetis sprach mit mir. Wie besessen suchte ich, fand einen Link, verwarf ihn, suchte erneut und postete Dein ist mein ganzes Herz von Heinz Rudolf Kunze. Nachdem es in der Küche still geworden war, lud Thetis Missing you mit der Stimme von Tina Turner hoch.
    Das Treffen der Mythos-Blogger sollte am Samstag stattfinden. Bis zum Montag darauf mussten das Drehbuch und der Großteil vom Spiel stehen. Das schaffte ich nie und nimmer, zu lange hatte ich tatenlos auf den Monitor gestarrt. Ich lehnte mich zurück. Sinnlos. Ich hörte, wie etwas in mir klirrte. Dann noch einmal. Tatsächlich kam das Geräusch aus dem Nebenraum.
    Ich schloss die Tür auf und betrat das, was einmal unsere Küche gewesen war, sie mitten darin, den linken Arm bis zur Ellenbeuge aufgeschlitzt. Zwei ihrer Messer lagen am Boden, ein drittes hielt sie in der Hand. Ihr Blick war leer, das Gesicht verwüstet. Nur kurz, dann bemerkte sie mich und schoss mit dem Messer auf mich zu. Blitzschnell wich ich aus, nicht schnell genug, spürte ein Brennen im Arm. Ich schlug ihr ins Gesicht, sie stürzte und blieb liegen. Dann weinte sie.
    Es dauerte lange, bis wir aufgeräumt hatten. Ich trank Brandy und gab ihr ein Glas ab, das sie diesmal dankbar annahm. Sonst trank sie selten. Die meiste Zeit schwiegen wir. Bevor sie zu Bett ging, stand sie eine Weile in der Tür, den Rücken mir zugewandt. Wenn ich jetzt das Messer nähme …
    »Ich hasse dich«, sagte sie.
    Ich legte die Karte auf ihren Schoß, gönnte mir noch einen Wodka und fuhr endlich weiter durch den Regen.

21
    »Kommst du mal irgendwann wieder oder machst du Feierabend?«, fragte Conrad am Telefon.
    »Ich habe schon Feierabend.« Julia zog ihre nasse Jacke aus und hängte sie sorgfältig

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