Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi
danach wieder in der Schule. Wir haben ihn nicht mehr angefasst. Er hat sich doch schon in die Hosengeschissen, wenn er uns nur von Weitem gesehen hat.« Kaum zu unterdrückende Häme erfasste seinen linken Mundwinkel.
»Halt endlich die Fresse, Tobi. Ab jetzt sagst du gar nichts mehr.« Die Mensing hievte sich hoch. »Nicht ohne Anwalt. Die haben uns noch nicht einmal über unsere Rechte aufgeklärt.«
Die hatte zu viel in die Glotze geguckt. »Vor zwei Wochen habt ihr ihn geschlagen?«, fragte Julia.
Tobias nickte.
Die Mensing holte aus und machte große Augen, eine Drohgebärde, die der Junge kannte. Er zuckte nicht einmal. »Du sollst nicht …«
»Ich sach doch gar nichts.«
Aber als Conrad zwei, drei weitere Fragen stellte, erzählte er, was geschehen war. Die Mensing schimpfte eine Weile vor sich hin, winkte schließlich ab und ging nach draußen. Nun war Julia doch froh, dass sie Conrad begleitet hatte, als Zeugin der Aussage, falls es der Junge sich noch einmal anders überlegte. Henrik sagt, wo’s langgeht, erklärte Tobias. Wir haben richtig fun mit ihm. Nur bei Rasid hat er vielleicht ein bisschen übertrieben.
Die drei hatten den Jüngeren über Wochen verfolgt und gedemütigt. Auch mal geschubst oder so, aber nie schlimm, beschwichtigte Tobias. Und dann hätten sie mit den Schläuchen angefangen. Mit welchen Schläuchen?, fragte Conrad. Henrik hatte die Idee, sie mit Sand zu füllen. Er hatte das mal im Fernsehen gesehen. Das tut ganz schön weh, aber man sieht keine blauen Flecken, hat er gesagt. Stimmte aber nicht. Rasid hatte wohl blaue Flecke. Aber ab da hat er uns immer sein Geld gegeben, ohne dass wir was gemacht haben, beteuerte Tobias.
Julia zog sich der Magen zusammen. »Und am Sonntag hattet ihr die Schläuche nicht dabei und habt mal so zugeschlagen?«
»Das brauchten wir doch gar nicht. Das sag ich doch gerade. Er hat sogar geklaut, wenn wir was brauchten. Aber diese Ausländer klauen ja alle.« Der Junge schien nicht über das mindeste Bewusstsein dafür zu verfügen, was sie Rasid Chalid angetan hatten, noch über irgendein anderes Bewusstsein. »Außerdem haben wir ihn am Sonntag gar nicht getroffen. Nie am Wochenende.«
Versteinert sagte Conrad: »Du würdest das, was du jetzt gesagt hast, unterschreiben?«
»Wie jetzt? Was hab ich denn gesagt? Ich bin kein Verräter.« Irritiert sah er von Conrad zu Julia und wieder zurück, bis sein Blick an Julia hängen blieb. Der Typ war blöd wie eineKiste Schrauben. Er hätte ihr leid getan, wenn er nicht auch noch ein Drecksack gewesen wäre.
»Schon okay«, sagte sie. »Du musst nur das noch einmal erzählen, was du gerade erzählt hast. Deine Mutter will sich ja um einen Anwalt kümmern, der dich unterstützt.«
Vor der Tür schöpfte Julia Atem und war das erste Mal seit Wochen froh über den Regen. Langsam gingen sie die kurze Strecke zum Auto zurück. Sie spürte jeden Tropfen auf der Haut.
»Glaubst du ihm?«, fragte Conrad und sah sie von der Seite an. Die Vorstellung, dass dieser Vollhonk und seine Kumpel auch ihn niedergeschlagen haben könnten, musste ihm zu schaffen machen.
»Ja. Der ist zu dämlich für Lügen. Außerdem: So jung er ist, er ist eine miese Ratte.«
»Wenn das stimmt, sind wir so weit wie zuvor.« Conrad öffnete den Wagen und sie stiegen ein. Als er den Zündschlüssel umdrehte, kam Lady Gaga im Radio.
Julia schaltete ab. »Und jetzt?«
Er legte das Gesicht in die Hände.
»Kopfschmerzen?«
»Wird Zeit, dass ich nach Hause komme.« Er sah bleich aus.
»Soll ich fahren?«
»Mit meinem Auto?« Er legte den ersten Gang ein und fuhr los.
Als er Julia zu Hause absetzte, klingelte sein Handy. Sven. Er lauschte, nickte, lauschte, blickte zu Julia und sagte, ja, kann ich machen, aber ich weiß nicht, ob es ihr passt, und legte auf. Wieder rieb er sich die Stirn.
»Von dem Berge.«
»Was ist mit dem?«
»Der muss auch noch befragt werden.«
»Jetzt? Und warum kann Sven das nicht machen?« Der drückte sich wieder, ahnte Julia. Conrad bestätigte das mit einem Blick.
»Von dem Berge geht morgen in Urlaub.«
»Kommt er oder gehen wir hin?«
»Er kommt in die Dienststelle.«
»Und warum kann dann Sven nicht …«
»Ach, Julia. Das wird nichts. Kennst ihn doch. Er soll lieber telefonisch bei der Verwaltung vom Vincenz recherchieren, wer da die Entscheidung trifft, wenn jemand verlegt werden soll, wer denn nun die Kosten trägt, welche Rolle Von dem Berge im Krankenhaus spielt und so weiter. Das
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