Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi

Titel: Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
Vom Netzwerk:
nahe gelegenen Kaff, arbeiteten im Büro der Gemeindeverwaltung und trafen sich von Zeit zu Zeit auf einem Parkplatz, um dann ein stilles Plätzchen zu suchen. Ich konnte nur hoffen, dass sie sich Zeit ließen und der Abschleppwagen, den ich über ihr Handy angerufen hatte, eintreffen würde, bevor sie zurück wären, um den Verlust ihres Golfes zu bemerken. Wenn sie sich hier begegneten, wäre schnell ein Zusammenhang hergestellt.
    »Later on« , sang jemand, und ich stellte endlich das scheppernde Radio ab. Ruhe, endlich Ruhe, sonst würde ich verrückt werden. Oder war ich schon paranoid, dass das Radio mir Botschaften sandte? Das hatte es schon einmal getan ...
    Den ersten Pott Kaffee hatte ich mit an den Schreibtisch genommen. Honey rief an und sagte, sie komme nicht. Es sei spät und lohne sich nicht, wenn sie in ein paar Stunden wieder arbeiten müsse. Neuerdings blieb sie immer öfter bei ihrem Vater, in einem Zimmer, das eingerichtet war wie für eine Zwölfjährige, rosa Vorhänge und Diddelmäuse. Auf meine Frage, wie sie es da aushielte, zuckte sie mit den Schultern. Ich war ihrem Vater einmal begegnet und war nicht scharf auf ein zweites Mal. Ein Schauspieler angeblich. Einer, der sich monatlich beim Amt melden musste. Wahrscheinlich war sein Kühlschrank immer leer, sie war schlanker geworden. Und irgendetwas war mit ihren Augen passiert. Es war, als habe die Farbe gewechselt. Oder die Tiefe. Oder das Glitzern darin. Und neuerdings trug sie Röcke, die über dem Knie endeten.
    Im Radio lief Frank Sinatra »I’ll be seeing you«. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich fuhr den Rechner hoch. Eine E-Mail blinkte. Thetis. Anfangs fand ich es albern, dass sich die Bloggerin hinter dem Namen einer Gottheit versteckte. Doch je besser ich sie kennenlernte, umso plausibler erschien mir ihr Name. Thetis, das personifizierte Wasser. So schrieb sie auch. Seit ich wieder mehr allein war, tauschte ich Mails mit ihr. Ich war bei einer Recherche über ihren Blog gestolpert und erstaunt gewesen, was sie an Material zusammengetragen hatte, das ich brauchen konnte. Sie war Expertin in griechischer Mythologie.
    Thetis traf ich vornehmlich nachts und mit wachsender Begeisterung. Manchmal tranken wir Wein zusammen, sie in Hamburg und ich in Coesfeld. Wir redeten über Poseidon, Ladan, Aidos und Hybris. Manche Nächte waren übervoll von E-Mails, Worten wie Sand, manchmal Treibsand. Sie verstieg sich in Göttergeschichten, verstrickte sich in Mythen und mich in Metaphern, dass mir schwindlig wurde. Es kam mir vor, als möchte sie mich. Dann schrieb sie zwei Wochen nicht, und ich glaubte, ich hätte mich geirrt. Oder ich dachte, ihr Fallschirm habe sich nicht geöffnet und ich würde nie davon erfahren, wenn sie tot wäre. Das Fallschirmspringen ließ sie sich nicht ausreden, es war ihre zweite Leidenschaft. In solchen Wochen starrte ich abwesend auf die Stelle, an der das Zeichen für ihre Mails blinken müsste, bis ich zum Essengerufen wurde.
    Sie redete beim Essen, viel. Wie sie etwas gewürzt hatte, wo das Gewürz herkam, wer ihr das Rezept gegeben hatte. Sie aß wenig. Als ich an einem solchen Abend mit ihr schlief, entdeckte ich ihre Hüftknochen.
    Am Morgen darauf: Thetis. Ein Treffen der Mythos-Blog-Fans war geplant. Interessant, schrieb ich zurück, dann plauderten wir ein paar Tage.
    In diesen Phasen kam meine Arbeit gut voran und das Leben fühlte sich leicht an, obwohl ich nicht vom Rechner wegkam, wegen der Abgabetermine. Seit kurzem hatte ich einen neuen Auftraggeber. Über die Vermittlung eines Bekannten hatte ich bei einer daily soap einsteigen können. Jede Woche musste ein Drehbuch für eine Episode fertig sein, aber ich schaffte so ein Teil in zwei Tagen. Selten und wenn die Küche kalt und ich sehr hungrig war, ging ich bei Toni vorbei. Ihm erzählte ich von Thetis, und er sagte, du spinnst. Du hast eine Freundin. Internetbekanntschaften sind doch Blödsinn.
    Nach solchen Gesprächen antwortete ich nicht auf die Mails von Thetis, bis sie jammerte, dass ich das nicht machen könne, oder schimpfte oder mich verwünschte. Lange hielt ich das nie aus, im Stillen bat ich um Verzeihung, aber ich schrieb es nie. Ich wollte nicht verraten, wie sehr ich an ihr interessiert war. Außerdem kannte ich sie gar nicht, nicht ihr Haar, nicht ihre Haut und wusste nicht, wie sie roch.
    Nur ihr Bild hatte ich gesehen. Sie hatte es auf einer Social-network-Plattform eingestellt. Als ich es entdeckte, blieb mir die Luft weg.

Weitere Kostenlose Bücher