Die Spur der Zugvoegel - Muensterlandkrimi
ich nicht sicher tragen. Als ich mich ihr gegenüber niederließ und sie anstarrte, sagte sie: »Du hast es vergessen.«
Ich hatte es vergessen.
»Macht ja nichts, jetzt hat es ja geklappt.« Sie lächelte anders.
»Wie heißt du eigentlich richtig?«, brachte ich hervor. Meine Stimme klang fremd.
»Iris. Und du?«
»Ben. Benjamin Maria, um genau zu sein.«
»Echt? Ich hab gedacht …«
»Nein.« Immerhin stand mein Nachname an der Haustür.
Thetis oder Iris probierte ihren Kaffee, presste die Lippen aufeinander und tat drei Löffel Zucker und eine halbe Flasche Kaffeesahne hinein. Ich hätte einen Wodka brauchen können.
»Und jetzt?«, fragte sie.
Ich fragte mich das auch.
»Ich könnte dir Coesfeld zeigen.« Die Hamburgerin würde bestimmt beeindruckt sein. »Wir haben hier ganz nette Ecken.«
»Später vielleicht.« Sie stand auf, um sich neben meinen Sessel zu knien und mein Gesicht in beide Hände zu nehmen.
Es klingelte. Aber sie ließ mein Gesicht nicht los. Augen aus dunklem Erz. Das Klingeln blieb hartnäckig. Ich löste ihre Hände von meinem Gesicht und testete die Gegensprechanlage, sie schmollte noch immer. Draußen stand schon wieder eine Frau, drahtig, wilde Locken, ernst. Ich kannte sie nicht, da war ich sicher, ziemlich sicher. Als sie mir ihren Ausweis vor die Nase hielt, war ich ganz sicher, nur stellte sich wieder das Kolibri-Phänomen ein.
»Herr Achenbach?«
Ich bejahte.
»Sie sind ja wohlbehalten aus dem Urlaub zurück, Ihre Mutter hatte sich Sorgen gemacht.«
»Und die Polizei gerufen?« Wenn sie das getan hatte, würde ich sie erwürgen.
Die Morgenstern schüttelte die Locken. »Da kann ich doch sicher Frau Lux sprechen.«
Das ging nun wieder nicht. »Jetzt?«
»Das wäre prima.«
»Sie hat sich etwas hingelegt.« Wenn man so wollte.
»Es würde sicher nicht lange dauern.« Die Frau war wie die Klingel.
»Was möchten Sie denn von ihr?«
»Ihr nur einen guten Tag wünschen, denn eine Arbeitskollegin hat sie bei uns als vermisst gemeldet.« Mit ihrem Lächeln stimmte etwas nicht.
»Das ginge doch sicher auch etwas später.«
»Ehrlich gesagt, habe ich längst zu viel Aufwand getrieben für jemanden, der sich einen Urlaub genehmigt. Wogegen ja nichts einzuwenden ist, nur wenn man damit eine Vermisstenmeldung verursacht, ist das ziemlich lästig.«
Honey hatte also niemandem Bescheid gesagt.
»Dürfte ich jetzt bitte?«
»Ben?« Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und fuhr herum. Erz statt Honigbraun. »Ich wollte nur wissen …«
»Sie hat sich etwas hingelegt, ja?« Die Morgenstern betrachtete Iris mit unterdrücktem Zorn. »Wenn Sie das nächste Mal einen Trip planen, sagen Sie am besten Ihrem Arbeitgeber Bescheid.« Damit drehte sie sich um und stapfte in den Nebel.
25
»Komm mit.« Conrad schnappte seinen Trenchcoat und wollte durch die Tür des Büros, durch die Julia eben eingetreten war. Die Wut, die sie auf dem Weg ins Präsidium begleitet hatte, machte Überraschung Platz.
»Was ist denn mit dir los?« Conrad wirkte aufgeregt.
»Wir haben ihn.«
»Wen?«
»Den Zeugen?«
»Welchen Zeugen?« Konnte sich einmal jemand verständlich ausdrücken an diesem Morgen?
»Den Zeugen, der die Attacke auf Rasid und mich gesehen hat.«
»Wo kommt der denn plötzlich her.« Sie hatten die umliegenden Häuser abgeklappert, aber niemand außer der Krause hatte ihnen etwas sagen können.
»Aus Gronau.«
»Super Zeuge.«
»Nun komm endlich. Er war ein paar Tage in Gronau, deshalb haben wir ihn nicht angetroffen.«
Julia folgte Conrad auf den Gang und hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten.
»Warte.«
Er fuhr herum. »Was?«
Manchmal hatte er etwas Impulsives, das ihm gar nicht so schlecht stand, nur jetzt schien es wenig angebracht.
»Wie heißt er?«
»Jamal irgendwas. Ich hab es aufgeschrieben. Ist doch egal. Er wohnt bei der Krause im Haus. Nun mach schon.«
»Und die Krause hat hier angerufen, weil er zu laut über ihrem Kopf herumgetrampelt ist oder mit zu viel Lärm seine Zeitung aus dem Postkasten genommen hat?« Julia kannte sie.»Du solltest dir nicht zu viele Hoffnungen machen.«
»Die kann ich immer noch aufgeben, wenn er nichts weiß.« Er strebte dem Ausgang zu.
»Conrad.«
»Was denn nun noch?«
»Fahr mal ‘n bisschen runter, ja.«
Julia sah, wie er innehielt und Luft holte. Dann gingen sie zum Wagen. Diesmal nahmen sie Julias Golf.
Jamal irgendwas hieß Jamal Kösters und wohnte in der Wohnung über der Krause. Ein
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